Leid teilen, Hoffnung schöpfen

Herausgeberkolumne
Auf den Philippinen leben eine Million Menschen mehr schlecht als recht vom Fischfang. Angesichts heftiger werdender Taifune und schwindender Fisch- und Korallenbestände gilt es für sie, Meer und Küste nachhaltig zu bewirtschaften. Dabei unterstützt sie auch Fastenopfer.

Die philippinischen Fischer gehören zu den Ärmsten der Armen. Um schnellere und höhere Erträge zu erzielen, arbeiten einige industrielle Fischer mit Dynamit oder Zyanid. Das hat zahlreiche Korallenriffe verwüstet und die Fischbestände erheblich dezimiert. Seit vielen Jahren unterstützt deshalb Fastenopfer zusammen mit dem Center for Empowerment and Resource Development (CERD) auf der Insel Samar Fischerfamilien dabei, sich zu organisieren, mit lokalen Behörden ins Gespräch zu kommen, Schutzzonen einzurichten und zum Erhalt der Fischereiressourcen beizutragen. Denn diese besonders armen Gemeinschaften müssen sich und ihre Familien ernähren sowie Fischereiausrüstung und Wohnstätten instandhalten.

Dabei bringt die Taifun-Saison Jahr für Jahr Angst und Sorge. Mit der Klimaveränderungsind die Taifune häufiger und heftiger geworden. So haben durch den Taifun Haiyanim Jahr 2013 über 8000 Menschen ihr Leben verloren. Zwar wurden die Schutzmaßnahmen seitdem verbessert, aber das allein genügt nicht, die ärmsten Familien vor der Katastrophe zu bewahren.

Die Arbeit eines Jahres in wenigen Minuten zerstört

Die Fähigkeit der Einheimischen, ihr Leben sowie Gefahren und Risiken zu meistern, schuf die Illusion, ihre psychischen Kräfte seien unerschöpflich. 2014 aber sahen sich die Familien drei Taifunen ausgesetzt, und im Dezember 2015 suchte ein weiterer Taifun die Insel Saheramar heim. Wieder mussten Menschen evakuiert werden. Strom- und Telefonleitungen funktionierten nicht mehr, die Dächer der Hütten flogen weg, die Holzboote wurden zerstört, die Arbeit eines ganzen Jahres war innerhalb weniger Stunden, weniger Minuten zunichte gemacht – ein wahres Trauma für eine ohnehin schwer geprüfte Bevölkerung. Die Leiterin des CERD lancierte einen Hilferuf: Es ist zu hart, wir brauchen psychologische Unterstützung.

Die Kräfte bewahren, die Wunden verbinden, sich auf das Menschliche konzentrieren: Dies bildet die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Gegenwart und Zukunft. Es ist eine Möglichkeit, langfristig zu denken und zu bauen, auch wenn die Not die Oberhand hat.

Schicksalsschläge werden durch Schweigen überwunden

Die Koordinatorin des Programms von Fastenopfer kontaktierte eine Psychologin und veranlasste sogenannte Debriefings. Bei diesen Sitzungen versuchen die leidgeprüften Menschen, das Undenkbare zu beschreiben und ihre Gefühle der Ohnmacht und Entmutigung auszudrücken. Das ist alles andereals leicht. Denn normalerweise werden Schicksalsschläge auf den Philippinen meist durch Schweigen überwunden. Darüber sprechen heißt für die Betroffenen ,einer Zerbrechlichkeit Raum geben, von der man glaubt, sie mit Schweigen unter Kontrolle zu haben. Es ist, als ob man eine Schwäche zugeben würde. Doch das Vertrauen wächst, die Zungen lösen sich nach und nach, auch wenn einige Menschen unfähig bleiben zu sprechen, weil dasSchluchzen ihre Worte erstickt. Sie erhalten individuelle Unterstützung.

Die Psychologin nimmt diese Leiden an. Sie erklärt, dass sich diese schweren Prüfungen auch in körperlichen Symptomen wie Schlaflosigkeit, Schmerzen, Alpträumen äußern können. In Worten ausdrücken, verstehen, warumund wie man emotional und körperlich den Boden unter den Füßen verlierenkann – auch das kann helfen, voranzukommen.

In ihrem Schmerz finden die Familien Hilfe in ihrem Glauben, der für sie eine Energiequelle ist. Vier von fünf Philippinern sind praktizierende Katholiken.So ist das Gebet ein wichtiger Bestandteil der Sitzungen zur psychologischenUnterstützung. Die Psychologin sagt: Die Zeremonie, das Gebet und der geteilte Frieden sind ebenso Symbole der Hoffnung, des Teilens und der Solidarität. Aus dieser Dankbarkeit, aus diesem Teilen des Schmerzes heraus erstrahlt das Licht – erstrahlt das, was jeder getan hat, um das Leben zu beschützen, sein eigenes und das seiner Angehörigen.

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erschienen in Ausgabe 5 / 2016: Religion: Vom Glauben und Zweifeln
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