Die Industrieländer haben 2015 deutlich mehr Geld im Rahmen der staatlichen Entwicklungshilfe (ODA) ausgegeben. Diese stieg laut den vorläufigen Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) auf rund 131 Milliarden US-Dollar. Inflationsbereinigt und unter Einbeziehung von Wechselkursschwankungen entspricht das einem Anstieg von knapp sieben Prozent gegenüber 2014.
Verantwortlich für die Zunahme ist in erster Linie die Hilfe für Flüchtlinge in den Geberländern. Die Ausgaben dafür verdoppelten sich 2015 auf 12 Milliarden US-Dollar. Rechnet man diesen Posten raus, bleibt eine Zunahme um 1,7 Prozent. Auch der Anstieg der deutschen Mittel um 26 Prozent auf gut 18,2 Milliarden Dollar ist größtenteils auf die Versorgung ankommender Flüchtlinge zurückzuführen, die mit knapp 3 Milliarden abgerechnet wird. Ohne Flüchtlingskosten stieg die deutsche ODA nach Angaben des Bundesentwicklungsministeriums um sieben Prozent.
Die deutsche ODA-Quote lag 2015 laut OECD bei 0,52 Prozent (2014: 0,42 Prozent), im Schnitt gaben die Industrieländer 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Entwicklungshilfe aus. Die Zielmarke von 0,7 Prozent erreichten nur Dänemark, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Großbritannien.
Mehr Geld für die ärmsten Länder
Deutschland werde zum größten Empfänger der eigenen Entwicklungshilfe, kritisiert die Stiftung Weltbevölkerung mit Blick auf den hohen Anteil der Flüchtlingskosten an der deutschen ODA. Es sei wichtig, dass Deutschland in die Menschen investiere, die hierher geflüchtet seien. „Aber diese Mittel tragen nicht zur Entwicklung in armen Ländern und zur Bekämpfung von Fluchtursachen bei“, sagt Renate Bähr, Geschäftsführerin der Stiftung. Auch Oxfam kritisiert die Anrechnung der Flüchtlingshilfe, weil diese die ODA-Quote verzerre. Der entwicklungspolitische Dachverband Venro monierte, die Bundesregierung habe im Vergleich zum Vorjahr zwanzigmal so hohe Flüchtlingskosten angerechnet, obwohl sich die Zahl der anerkannten Flüchtlinge nur vervierfacht habe.
Laut OECD-Regeln dürfen die Geber in den ersten zwölf Monaten alle anfallenden Kosten für Flüchtlinge im Inland als ODA anrechnen: Dazu gehören die Ausgaben für Transport und Unterhalt, Unterbringung, Versorgung und Ausgaben für Grundbildung. 2014 hatte Deutschland lediglich 130 Millionen Euro für die Flüchtlingsversorgung geltend gemacht. Die einzelnen Geber gebrauchen diese Möglichkeit sehr unterschiedlich: Manche melden sämtliche Flüchtlingskosten, andere fast gar keine. Der grüne Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz forderte deshalb, dass das Meldeverfahren vereinheitlicht und transparenter wird: Nur so könnten die Entwicklungsausgaben vergleichbar gemacht werden.
Mehr Geld gaben die Industrieländer 2015 für die humanitäre Hilfe aus: Diese stieg umgerechnet um 11 Prozent auf 13,6 Milliarden US-Dollar. Erstmals seit mehreren Jahren stieg auch die die bilaterale Hilfe für die am wenigsten entwickelten Staaten wieder, die mit 25 Milliarden Dollar rund vier Prozent mehr als im Vorjahr erhielten. Deutlich zurückgegangen sind dagegen die Mittel für Schuldenerlasse.
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