Seit dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 gilt das Vorsorgeprinzip als Leitlinie der Umweltpolitik. Es soll sicherstellen, dass Schäden für die Umwelt und die Gesundheit vermieden werden – auch wenn die Wissenschaft uneins ist über mögliche Gefahren. Über Glyphosat ist sie schon seit einer Weile tief zerstritten. Während das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) den Unkrautvernichter als für den Menschen „nicht krebserzeugend“ einstuft, geht die Weltgesundheitsorganisation davon aus, dass es „wahrscheinlich krebserzeugend“ ist.
Das verunsichert, zumal es für Verbraucher kaum eine Wahl gibt. Es geht nicht darum, ob man täglich eine Schachtel Zigaretten rauchen und fünf Feierabendbiere trinken möchte, sondern um Lebensmittel, auf die niemand verzichten kann. Sicher: Die Glyphosat-Rückstände darin sind meist sehr gering, außerdem wird das Herbizid schnell wieder ausgeschieden. Doch ein Risiko besteht, zumal dem Glyphosat vor dem Einsatz auf dem Acker oft andere Stoffe beigemischt werden, die seine Wirkung verstärken. Die sind teils giftiger als das Herbizid selbst, schreibt das BfR. Wie sie gemischt werden, fällt unter das Geschäftsgeheimnis der Hersteller. Und fertige Produkte, die im Regal sind, zu prüfen und wieder aus dem Verkehr zu ziehen, ist sehr schwierig.
Die EU soll Vorbild sein
Die Journalistin Kathrin Zeiske hat zudem jüngst in einem Artikel darauf aufmerksam gemacht, dass – anders als das Krebsrisiko – die ökologischen und ökonomischen Folgen von Glyphosat gut belegt sind. Das Herbizid „tötet die Vielfalt, entzieht Insekten und Vögeln die Lebensgrundlage und hat viele Bauern abhängig gemacht“. Das gilt vor allem für viele Entwicklungsländer. Der Hilfsorganisation Brot für die Welt zufolge landet etwa auf den riesigen Sojaplantagen in Südamerika bis zu zehnmal mehr Glyphosat pro Hektar als auf deutschen Äckern. Kleinbauern sind dort häufig sehr schlecht geschützt, und die Krebsfälle bei Kindern steigen.
Die EU berücksichtigt das bei ihrer Entscheidung bisher nicht. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Doch es wäre wünschenswert, dass sie als gutes Vorbild vorangeht und ein Zeichen für nachhaltige Landwirtschaft setzt. Und dafür, dass zweifelhafte Chemikalien auf dem Feld den Anbau von Nahrungsmitteln kurzfristig erleichtern mögen, aber es langfristig anders gehen muss – und auch kann.
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