„Die vermutlich größte katholische Pfarrei der Welt“

Kirchen am Persischen Golf
Der Bamberger Erzbischof und Vorsitzende der Kommission Weltkirche in der Deutschen Bischofskonferenz Ludwig Schick hat Anfang Februar die Kirchen in Katar, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Oman besucht.

Wer kommt in den Kirchen am Golf zusammen?
Die vielen Arbeitsmigranten kommen vor allem aus Indien, den Philippinen, Sri Lanka, aber auch aus Lateinamerika und den nördlichen arabischen Staaten wie dem Libanon oder Syrien. Die Gottesdienste werden auf Englisch gehalten. Es gibt aber auch Priester aus den Herkunftsländern der Migranten, die in den jeweiligen Muttersprachen die Messe feiern. In der Kathedrale von Abu Dhabi zum Beispiel finden jedes Wochenende 35 Gottesdienste in zwölf verschiedenen Sprachen statt. In Dubai ist die vermutlich größte katholische Pfarrei der Welt; die Schätzungen variieren von 100.000 bis 300.000 Katholiken.

Inwiefern hängen die Kirchen von den jeweiligen Regierungen ab?
Kirchliches Leben kann in der Regel nur auf einem eigens dafür reservierten Gelände stattfinden, meist hinter hohen Mauern. Auf solchen Compounds befinden sich oft Kirchen verschiedener Denominationen, manchmal auch ein Sikh-Tempel. Den Grund und Boden stellt die jeweilige Regierung zur Verfügung. Aber nichts darf darauf hindeuten, dass sich hier Christen regelmäßig treffen. Es gibt zum Beispiel keine Kreuze oder Glockentürme. Solange die Christen ihren Glauben auf diesem Gelände leben, ist alles in Ordnung. Missionieren dürfen sie nicht.

Sind die Kirchen Sprachrohr für die Interessen und Rechte der Arbeitsmigranten?
Eine zivilgesellschaftliche Rolle können die Kirchen nicht spielen. Die Regierungen geben ihnen ihren Spielraum sehr genau vor. Als Netzwerk für die Gemeindeglieder sind die Kirchen aber sehr wichtig. Arbeitsmigranten leben oft isoliert in sehr prekären Situationen. Oft werden ihre Rechte verletzt und sie werden ausgebeutet. In den Kirchen teilen die Menschen Freud und Leid, sprechen über Kindererziehung, Familie und ihre Arbeitsstellen und tauschen Erfahrungen im Umgang mit Behörden aus. Eindrücklich ist auch, wie viele Ehrenamtliche sich im kirchlichen Leben engagieren, sei es als Lektoren, sei es als Katecheten. Es gibt auch katholische Schulen. In der Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die Erstkommunion oder die Firmung sind oft Hunderte Männer und Frauen tätig. Die gegenseitige Hilfe findet auf ganz individueller Ebene statt, von Mensch zu Mensch.

Wie geht die muslimische Mehrheitsgesellschaft damit um, dass die christliche Gemeinschaft wächst?
Sehr pragmatisch. Sie weiß, dass sich ihr Wohlstand ohne die Arbeitsmigranten nicht halten lässt. Deswegen stehen viele auf dem Standpunkt, dass die Migranten gut sind und bleiben sollen, solange sie gebraucht werden.

Gibt es einen interreligiösen Dialog?
Vor allem auf akademischer Ebene unter Theologen; der Dialog geht aber nicht sehr tief. Die Regierungen kontrollieren auch diesen Bereich. Im täglichen Leben soll es interreligiöse Begegnungen von Mensch zu Mensch nicht geben aus Angst, die Christen könnten dabei Werbung für den eigenen Glauben machen.

Ist die europäische Flüchtlingskrise ein Thema am Golf? Immer wieder wird ja gefordert, dass auch die Golfstaaten sich Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak öffnen.
Es ist eine Frage der Identität und der Erhaltung der politischen Strukturen. In Oman sind die Muslime zum Beispiel Ibaditen und die Regierung ist in der Hand einer Familie. Sie sehen sich und ihre Art, den Islam zu leben, bedroht, sollten etwa zu viele Sunniten ins Land kommen. Auch die anderen Golfstaaten fürchten um das gesellschaftliche Gleichgewicht und öffnen deswegen ihre Grenzen nicht für Flüchtlinge aus anderen islamischen Ländern.

Das Gespräch führte Katja Dorothea Buck.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2016: Flucht und Migration: Dahin, wo es besser ist
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