Investitionen sind Glaubenssache. Wer in ein Unternehmen investiert, glaubt an dessen Geschäftsprinzip und Zukunft. Im Fall großer Firmen, die mit klimaschädlichen Energieträgern wie Braunkohle oder Erdöl Geld machen, scheint das immer mehr Investoren schwer zu fallen. Sie verkaufen ihre Anteile, um ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen. Weltweit sind bereits knapp 500 Einrichtungen dem Ruf der sogenannten Divestment-Kampagne Fossil Free gefolgt, darunter Universitäten, Stiftungen, Städte und viele Kirchen – vor allem in Großbritannien, den USA und den skandinavischen Ländern.
In Deutschland konnte die Bewegung bislang kaum Fuß fassen. Im Herbst erklärte Münster als erste deutsche Kommune, sie werde ihre Beteiligungen an klimaschädlichen Industrien nach und nach abziehen, darunter auch Anteile an RWE. Mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) folgte nun der erste kirchliche Investor. Die Landeskirche werde alle Geldanlagen in fossile Energien in den kommenden Jahren abstoßen, sagte Heinz Thomas Striegler, Finanzdezernent der EKHN Mitte November in Frankfurt. Davon betroffen seien jedoch lediglich zwei bis drei Prozent der gesamten Kapitalanlagen von rund 2,7 Milliarden Euro. Wichtig sei der Schritt trotzdem, meint Striegler: „Wer ernsthaften Klimaschutz betreibt, muss sich von fossilen Energien verabschieden. Die Kirche kann am Anfang diesen Prozess beschleunigen.“
Dafür spricht, dass gerade kirchliche Anleger viel Erfahrung mit dem Ausschluss bestimmter Branchen haben, etwa Rüstung, Tabak, Pornografie oder Atomkraft. Andere Landeskirchen und die katholischen Bistümer sind bei fossilen Energien jedoch noch zögerlich, obwohl die Evangelische Kirche in Deutschland und das Zentralkomitees der katholischen Kirche in ihren Leitfäden zu ethischen Geldanlagen das Thema aufgreifen. Offenbar gibt es in den Kirchen noch viele Vorbehalte, auch an der Basis, etwa in den Kirchengemeinden in den deutschen Braunkohlegebieten. Klaus Heidel von der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg bestätigt das: Viele seien sich zudem unsicher, wie das Divestment praktisch umzusetzen sei und ob alternative Geldanlagen nicht zu einer geringeren Rendite führten.
"Das Divestment hat sich richtig gelohnt"
Gunnela Hahn von der Schwedischen Kirche hält diese Bedenken für unbegründet. Die ehemalige schwedische Staatskirche hat seit 2008 ihre kompletten Einlagen von über zwei Milliarden Euro bereinigt und rund zehn bis 15 Prozent der Investitionen abgezogen. Die Strategie dabei: Raus aus Rohstoffkonzernen wie Total oder Chevron und Gespräche über mehr Energieeffizienz mit Großverbrauchern, etwa dem größten Stahlhersteller Schwedens. Rückblickend habe sich das Divestment finanziell richtig gelohnt, sagt Hahn. „Wir haben verkauft, bevor der Ölpreis eingebrochen ist und BP die Ölpest im Golf von Mexiko verursacht hat.“
Um das Anlageportfolio zu säubern, habe die Kirche einen eigenen grünen Fonds aufgesetzt und kooperiere zudem mit anderen Anbietern ähnlicher Fonds, wie dem Generation Fund von Al Gore. Diese helfen den Investoren, die freigesetzten Gelder wieder sinnvoll zu investieren. „Wir wollen nicht einfach nur das Geld abziehen, sondern etwas Neues gestalten und investieren deshalb in Firmen, die Erneuerbare Energien oder saubere Autos voranbringen“, sagt Hahn.
Umstritten ist, ob der Kapitalabzug überhaupt eine Wirkung auf die Energiekonzerne hat: Diese sollten nicht mehr nach neuen Rohstoffquellen suchen und mindestens 80 Prozent ihrer noch nicht abgebauten Kohle-, Öl- und Gasvorräte abschreiben, lauten die zentralen Forderungen der Divestment-Bewegung. Die Klimaschutz-Organisation 350.org schätzt, dass Investoren weltweit immerhin rund 260 Milliarden US-Dollar aus den fossilen Branchen abgezogen hätten, beziehungsweise dies noch tun wollten. Zum Vergleich: Die Branchen Elektrizität, Bergbau, Öl und Versorgung kamen im Frühjahr 2015 in der Financial-Times-Liste der 500 größten globalen Konzerne auf einem gemeinsamen Marktwert von etwa vier Billionen Dollar. Doch noch haben längst nicht alle Investoren den Glauben an die Zukunft von Kohle oder Erdöl verloren: Laut Angaben der Londoner Organisation „Asset Owner Disclosure Project“ hält knapp die Hälfte der 500 größten Anleger weiter an derartigen Anlagen fest.
Wichtiger sind politische Signale
Zudem haben die Entscheidungen deutscher Energiekonzerne wie EON oder RWE, sich ganz oder teilweise von Kohlekraftwerken zu trennen und mehr in erneuerbare Energien zu investieren, wenig mit Divestment zu tun, heißt es in einer Studie des Wuppertal-Instituts. Vielmehr hätten niedrige Strompreise, der Druck der öffentlichen Anteilseigner bei EnBW oder Vattenfall sowie die Subvention von sauberem Strom die Entscheidungen in den Konzernzentralen beeinflusst.
Eric Heymann, Analyst der Deutschen Bank, sagt, der stärkste Treiber für einen Wandel in der Industrie seien klare politische Signale. „Die Kirchen könnten sich dafür einsetzen, dass die Subventionen für fossile Energieträger abgebaut werden.“
Ähnliche Signale könnten auch beim Klima-Gipfel Anfang Dezember in Paris gesetzt werden. Sollten sich die Staaten dort auf ein verbindliches Klimaschutzziel einigen, könnte das die Rohstoffreserven der Energiekonzerne erheblich abwerten, weil mehr Kohle, Gas oder Öl im Boden bleiben müssten.
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