„Dear Mr. Elliesen“: Nach zwei Tagen Autofahrt durch Ghana steckte mir der Fahrer wenige Kilometer vor unserem Zielort verstohlen einen handgeschriebenen Brief zu. Er sei dankbar, in mir einen neuen Freund gefunden zu haben, und habe nun zum Abschied eine dringende Bitte: Er wolle unbedingt nach Deutschland, denn in seiner Heimat Ghana sehe er keine Zukunft für sich. In Deutschland hingegen herrsche Ordnung und man könne durch ehrliche Arbeit gutes Geld verdienen. Er hoffe, dass ich ihn bei der Verwirklichung seines Plans unterstützen werde.
Das Anliegen des jungen Mannes war völlig legitim, und es wäre schön, wir lebten in einer Welt, in der auch Frauen und Männer aus Afrika in die Welt hinausziehen könnten, um dort etwas aus sich und ihren Talenten zu machen – so wie das für uns in den reichen Ländern des Nordens eine Selbstverständlichkeit ist. Aber so ist das nicht und deshalb habe ich dem Mann nach bestem Gewissen geantwortet, dass ich erstens nichts für ihn tun könne und zweitens das Leben als Zuwanderer mit schwarzer Hautfarbe und ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland alles andere als ein Zuckerschlecken sei.
Die Geschichte ist schon ein paar Jahre her, doch sie ist aktueller denn je: Diese Woche haben sich die Regierungschefs der Europäischen Union mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Afrika aus Malta getroffen, um zu beraten, wie sie das Migrations- und Flüchtlingsproblem in den Griff kriegen könnten. Herausgekommen ist ein Aktionsplan, in dem es vor allem darum geht, in Afrika die Ursachen für Flucht und Auswanderung zu bekämpfen, illegale Migration zu verhindern und Schleusern das Handwerk zu legen. Die sogenannten Transitzentren entlang der Wanderungsrouten, in denen die EU Migranten gern noch in Afrika aufhalten und überprüfen würde, sind hingegen vorerst vom Tisch: Die afrikanischen Regierungen haben sich erfolgreich dagegen gesperrt.
Afrikas Regierungen sind froh über die Abwanderung
Doch das Problem liegt tiefer, als die Maßnahmen des Aktionsplans reichen: In Afrika liegt es darin, dass viele Regierungen ganz froh sind, wenn die Leute gehen und im Ausland versuchen, ihr Glück zu machen, statt zu Hause eine bessere Politik zu fordern. Im satten Europa liegt es in einer weit verbreiteten Fremdenfeindlichkeit, die sich in einer Politik der Abschottung äußert und von dieser zugleich weiter angefeuert wird. Dass es für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie Syrien oder Diktaturen wie Eritrea keinen sicheren Weg nach Europa gibt, ist schlichtweg eine Schande. Ein Armutszeugnis hingegen ist es, dass auch Leute wie mein Fahrer in Ghana, die sich anderswo ein besseres Leben erhoffen, bisher kaum legal übers Mittelmeer kommen.
Zugleich ist es wirtschafts- und entwicklungspolitisch dumm, denn Ökonomen weisen immer wieder darauf hin, dass das alternde Europa mittelfristig auf Zuwanderung angewiesen ist – und dass offene Grenzen für junge Männer und Frauen aus Afrika, die in Europa arbeiten, studieren und Erfahrungen sammeln können, unserem Nachbarkontinent wirksamer helfen als zusätzliche Milliarden Euro Entwicklungshilfe aus Brüssel.
Besser zurück als nach Calais
Vorschläge dazu, wie man solche Arbeitsmigration von Afrika nach Europa zu beiderseitigem Vorteil regeln könnte, gibt es, auch der Aktionsplan des EU-Afrika-Gipfels nennt einige. Solche Ideen spielen in der öffentlichen Debatte aber keine Rolle. Stattdessen faseln Politiker und Leitartikler von „Obergrenzen“ und „Flüchtlingslawinen“.
So lange das so ist, wäre es vielleicht doch menschlich geboten, in Afrika Transitzentren einzurichten, in denen Migranten ohne Bleibeperspektive angehalten und wieder nach Hause geschickt werden. Das klingt zynisch, aber für viele dürfte das immer noch besser sein, als in einem der Elendslager gestrandeter Flüchtlinge und Zuwanderer auf dem Balkan, in Griechenland oder im französischen Calais zu enden.
Neuen Kommentar hinzufügen