Für Liu Jianqiang von Chinadialogue, der ersten zweisprachigen Website zu Umweltthemen in China, hat die Regierung in Peking zwar die Gefahren des Klimawandels erkannt und den Medien grünes Licht gegeben, das Thema zu behandeln. Sie will auch die Treibhausgasemissionen bis 2020 pro Einheit des Sozialprodukts um ein Fünftel senken, was wegen des Wirtschaftswachstums in absoluten Zahlen allerdings nur eine Verlangsamung des Anstiegs bedeutet. Aber dass Peking sich unter Verweis auf die höheren Pro-Kopf-Emissionen der Industrieländer und auf die Klimagerechtigkeit weigert, seine Ziele international festzuschreiben, findet Liu „nicht konstruktiv“.
Liu verweist auf den Vorschlag eines einflussreichen chinesischen Ökonomen, die Staaten nicht wie im Kyoto-Protokoll in Industrie- und Entwicklungsländer einzuteilen, sondern in vier Gruppen je nach Entwicklungsstand. China würde in die zweite Gruppe fallen und damit mehr Pflichten übernehmen müssen als Länder der dritten (wie Indien) und der vierten Kategorie. An einem Kompromiss zur gemeinsamen Begrenzung der Emissionen führe kein Weg vorbei, erklärte Liu auf einer Tagung des EU-China Civil Society Forum Ende Juni in Bonn. Vorausgegangen war eine Besuchsreise der chinesischen Aktivistinnen und Aktivisten zu Umweltverbänden, Politikern und grünen Projekten in Deutschland.
Den Chinesen ist Verbraucherschutz wichtig
Die Tagung hat dem Dialog deutscher und chinesischer NGOs über Klimapolitik einen Impuls gegeben, aber auch Probleme bei der Suche nach gemeinsamen Positionen deutlich gemacht. Für die chinesische Öffentlichkeit stehen unmittelbar erfahrbare Umweltprobleme wie die Luft- und Wasserverschmutzung im Vordergrund. Hieran knüpfen Umweltgruppen bei der Bewusstseinsbildung zum Klimawandel an, erklärten mehrere ihrer Vertreter. Zudem ist ihnen Verbraucherschutz besonders wichtig; dies liegt daran, dass die Belastung von Lebensmitteln mit Pestiziden und anderen Schadstoffen in China ein enormes Problem geworden ist.
In Europa diskutieren viele Umwelt-NGOs über eine grundsätzliche Transformation des Wirtschaftssystems. So stellte Victoria Johnson den Entwurf der britischen New Economics Foundation (NEF) für einen Green New Deal vor. Sie erläuterte, das Wirtschaftswachstum fördere in Großbritannien nicht länger die Lebensqualität und sei mit einer Begrenzung der Emissionen unvereinbar. Die Frage nach dem Lebensstil griffen chinesische Teilnehmende auf, insbesondere wieder mit Blick auf aufgeklärte Konsumentscheidungen, etwa für biologische Nahrung. Zugleich wiesen sie darauf hin, dass in China viele Gebiete – besonders auf dem Land – noch sehr arm sind.
Chinas Regierung gründet zudem ihre Legitimität auf das Wirtschaftswachstum und die damit verbundenen Aufstiegschancen, erklärte Liu Jianqiang. „Bücher über ‚Wie werde ich schnell reich‘ sind die Bestseller“, und die Regierung fürchte nichts mehr als soziale Unruhen. Für Chinas Klimaschützer sei daher die Frage, wie man eine Wirtschaft mit geringen Emissionen schafft, ohne die Hoffnung auf Reichtum zu untergraben. Die Konzepte der NEF für ein anderes Wirtschaftssystem sind da offenbar schwer zu übertragen.
Chinas Umwelt-NGOs haben viel weniger Möglichkeiten als deutsche, die Klimapolitik ihrer Regierung zu beeinflussen. Laut Fu Tao von China Development Brief in Peking schwächt die Trennung zwischen ländlichen NGOs, die sich auf Armutsminderung und Anpassungen an den Klimawandel konzentrierten, und städtischen Gruppen ihre Position. Zwar gibt es drei Netzwerke zum Klimawandel, sie hätten aber weder gute Kanäle in die Regierung noch den nötigen politischen Spielraum und die professionellen Kenntnisse für die Politikbeeinflussung.
Dennoch wollen deutsche NGOs den chinesischen nicht nur helfen, Unterstützer für ihre Projekte an der Basis zu finden. Beide wollen auch zu den Klimaverhandlungen in Peking im September, bei denen es um technische Fragen geht, eine gemeinsame kleine Begleitveranstaltung vorbereiten. Das könnte der Diskussion über die Klimapolitik zwischen ihnen ebenso einen Anstoß geben wie unter Chinas NGOs selbst.