Aus den Fehlern der anderen lernen

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Katja Dorothea Buck
Die beiden Helferinnen und ihr Kollege mit Uli Jäger von der Berghof Foundation in Tübingen.
Flüchtlinge
Deutschland ringt mit der Unterbringung von Flüchtlingen. Asma Abu Jafar, Mona Loubani und Alaa Alqaisi wissen worauf es ankommt. Die drei arbeiten in Jordanien in der Flüchtlingshilfe.

Als erstes müsse man sich einen sehr genauen Überblick über die Grundbedürfnisse der Flüchtlinge verschaffen, sagt Asma Abu Jafar, die für die US-amerikanische Hilfsorganisation International Medical Corps im Flüchtlingslager in Azraq Frauen, die geschlagen oder vergewaltigt wurden, psychosozial betreut. „Mütter haben andere Bedürfnisse als alleinstehende junge Männer“, sagt die junge Frau. Ihr Kollege Alaa Alqaisi, der seit fünf Jahren für die US-amerikanische Hilfsorganisation Relief International im großen Flüchtlingslager von Zaatari – mit 85.000 Flüchtlingen das zweitgrößte Lager der Welt –  arbeitet, ergänzt: „Flüchtlinge brauchen keinen Luxus, aber sie müssen so weit unterstützt werden, dass sie in der neuen Gesellschaft ihre Würde bewahren können.“ 

Gewalt zwischen Flüchtlingen sei ein Ausdruck dafür, dass es Menschen an Lebensnotwendigem fehle. „Die meisten Probleme entstehen, weil die Flüchtlinge mit den Regeln und Zwängen im neuen Land nicht klarkommen“, sagt Abu Jafar. Viele der 12.000 registrierten Bewohner von Azraq versuchen immer wieder, das Lager illegal zu verlassen, um irgendwo schwarz zu arbeiten. Doch nur wer einen jordanischen Verwandten habe, könne sich woanders niederlassen und arbeiten, erklärt sie. Viele syrische Familien böten deswegen ihre Töchter jordanischen Männern zur Heirat an. Das sei ein richtiges Business geworden.

Mona Loubani bestätigt das. Sie arbeitet für Save the Children als Lehrerin in einem von der Gemeinde Irbid getragenen Flüchtlingsprojekt. „Zu uns in den Unterricht kommt zum Beispiel ein zwölfjähriges Mädchen, das bereits ein Kind hat und schon wieder schwanger ist.“ Solche Mädchen brauchen eine besondere Betreuung, sagt Loubani. Es sei wichtig, dass die Menschen arbeiten dürfen. Dann würde auch die Gewalt unter Flüchtlingen sinken.

Probleme erkennen und gemeinsam lösen

Ob Flüchtlinge besser gemischt oder getrennt nach Herkunft und Religion untergebracht werden sollen, können auch die jordanischen Flüchtlingshelfer nicht eindeutig beantworten. „Wir haben mit beidem gute Erfahrungen gemacht“, sagt Abu Jafar. In Azraq etwa seien alleinstehende Frauen, die ihre Kinder allein durchbringen müssen, bewusst in der Nähe junger allein stehender Männer untergebracht worden, die ihnen zum Beispiel beim Wasserholen helfen und andere Lasten abnehmen können. Andererseits hätten sie aber auch erlebt, dass es zu Streit zwischen Flüchtlingen gekommen sei, die aus Dörfern stammten, zwischen denen es Spannungen gebe.

Wenn es Probleme in Lagern oder Heimen gebe, müsse zusammen mit den Flüchtlingen eine Lösung gesucht werden. „Wir haben uns am Anfang in Azraq gewundert, warum die Flüchtlinge die Toiletten nicht benutzen und lieber außerhalb des Lagers in der Wildnis ihre Notdurft verrichten“, erzählt Abu Jafar. „Irgendwann hat uns jemand darauf hingewiesen, dass die Klos alle Richtung Mekka ausgerichtet sind und dass sie deswegen niemand benutzen wolle.“ Alaa Alqaisi hat im Lager Zaatari die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, Ansprechpartner unter den Flüchtlingen zu haben, die für eine Gruppe sprechen können. Auch religiöse Führer wie Imame könnten eine wichtige Rolle übernehmen, wenn es darum gehe, alltägliche Probleme der Menschen zu lösen.

Die zwei Helferinnen und ihr Kollege waren auf Einladung der Berghof Foundation nach Tübingen gekommen, als drei von insgesamt 20 Teilnehmern des Projekts „Gewaltfreie Erziehung in Jordanien“. Dabei geht es darum, das friedliche Miteinander in Schulen, an Universität oder eben in Flüchtlingslagern zu fördern, etwa über interaktives Theater oder sogenannte Toleranz-Fußballturniere. „Wir brauchen diese einfachen Methoden und das Reflektieren über unsere Arbeit“, sagt Mona Loubani. Sie habe gelernt, wie wichtig die eigene Haltung sei. In der Flüchtlingsarbeit brauche es nicht nur gute Manager und Experten für verschiedene Bereiche, sondern vor allem sensible Menschen, die sich ihrer Aufgabe und ihrer Rolle für die Flüchtlinge und die Gesellschaft bewusst seien.

Dass die Flüchtlingskrise in Deutschland einen so starken Schwerpunkt in dem Projekt bekommen hat, beobachtet Uli Jäger, der Leiter des Instituts für Friedenspädagogik der Berghof Foundation, mit Interesse. „Es wäre großartig, wenn wir in diesem Bereich im Austausch bleiben. Die Jordanier sind uns im Management einer Flüchtlingswelle um Jahre voraus. Wir können von ihnen viel lernen.“

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erschienen in Ausgabe 11 / 2015: Blauhelme: Abmarsch ins Ungewisse
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