Junge Muslime in deutschen Gefängnissen brauchen islamische Ansprechpartner, um eine Radikalisierung zu verhindern. Das erklärte der Seelsorger Imam Husamuddin Meyer, der im Wiesbadener Jugendgefängnis arbeitet. Viele Jugendliche dort fühlten sich zwar als Muslime, hätten jedoch eine geringe religiöse Bildung. Die Propaganda radikaler Gruppen vermittle ihnen den Eindruck eines starken Islam, der sich für ihre Belange einsetze.
Terrororganisationen wie der „Islamische Staat“ (IS) würden von den jungen Leuten zum einen häufig als „Rächer der Unteren“ wahrgenommen. Zum anderen identifizierten sich junge Männer oft nicht als Deutsche, hätten aber auch den Anschluss an ihr Herkunftsland verloren. Das schaffe Unsicherheiten, die es aufzufangen gelte.
Bisher gibt es in Deutschland kaum muslimische Seelsorger in Gefängnissen und in der Jugendarbeit. Das müsse sich ändern, sagte Meyer. Mehr Angebote seien notwendig – in deutscher Sprache: Die Sprachvielfalt unter muslimischen Jugendlichen in Deutschland, die aus vielen Ländern kommen, sei zu groß, und anders als ihre Eltern könnten die Jugendlichen Predigten und Gesprächen auf Deutsch insgesamt besser folgen als in ihrer Muttersprache.
Den Zusammenhalt stärken und Gespräche anbieten
Auch in Flüchtlingslagern werben Extremisten manchmal neue Mitstreiter an. Dort sei es wichtig, die Selbsthilfekräfte der Flüchtlinge zu stärken, erklärte Gudrun Kramer von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Es gehe um Hilfestellung bei der Jobsuche oder beim Aufbau von Unterkünften – und auch darum, extreme Situationen, wie sie Flüchtlinge durchleben, aufzuarbeiten. Das habe sie bei ihrer Arbeit in einem palästinensischen Flüchtlingslager in Jordanien beobachtet.
Neben psychosozialer Arbeit sei es dort entscheidend, den sozialen Zusammenhalt unter den Flüchtlingen von Anfang an zu stärken, auch wenn manche nur kurz im Lager sind. Lokale Gruppen wie Künstler oder Gemeindesprecher vermittelten das in vielen Fällen besser als Mitarbeiter von internationalen Hilfsorganisationen, sagte Kramer.
Die sozialen Gesichtspunkte seien entscheidend, bestätigte Masood Karokhail von der nichtstaatlichen Organisation „The Liasion Office“ für Afghanistan. Die Gesellschaft dort sei gespalten, gleichzeitig gebe es ein ganzes „Büffet religiöser Gruppen“. Zulauf bekämen diese aus ganz unterschiedlichen Gründen. Um sicher zu leben, gebe es manchmal nur die Wahl, sich den islamistischen Taliban oder einer anderen extremistischen Gruppe anzuschließen. In anderen Fällen stellten radikale Organisationen einen vermeintlichen Ausweg aus der Armut dar.
Die Taliban rekrutierten junge Menschen häufig direkt an den Universitäten des Landes, erklärte Karokhail. Ihr Vorgehen sei von Region zu Region sehr verschieden. Deshalb gebe es keine flächendeckende Strategie gegen sie und ihre Methoden, junge Männer und Frauen anzuwerben. Er stimmte Imam Meyer zu, dass Jugendliche gut über religiöse Autoritäten zu erreichen seien. In den Gemeinden und auch in Gefängnissen werde zu wenig über Religion geredet.
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