Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation hatten Anfang August das größte österreichische Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Traiskirchen besucht. Das Lager sei völlig überbelegt, die medizinische und soziale Versorgung seien katastrophal, erklärten sie. Besonders prekär sei die Situation für Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern nach Österreich gekommen sind.
Während des Besuchs von Amnesty waren rund 2400 Flüchtlinge in dem Lager untergebracht. Die Organisation schätzt, dass etwa 1500 von ihnen im Freien schlafen mussten. „Ein unhaltbarer Zustand“, kritisierte Teamleiterin Daniela Pichler. Viele Asylwerber, darunter auch Schwangere und Frauen mit Babys, müssten sich stundenlang bei sengender Hitze für ihre Identitätskarten anstellen. Ein einfaches System mit Wartenummern würde diese Situation schon deutlich verbessern, so Pichler.
Das für die Flüchtlingsbetreuung zuständige Innenministerium reagierte mit einem Aufnahmestopp für Traiskirchen. Mehrere hundert Asylsuchende wurden in andere Bundesländer gebracht. Viele Landeshauptleute (das entspricht den deutschen Ministerpräsidenten) und Bürgermeister versuchen nun, die Unterbringung von Flüchtlingen mit einfallsreichen Ausreden abzuwehren. Sie berufen sich auf die Ängste in der Bevölkerung, die von manchen Medien noch geschürt würden.
Ärzte werden zurückgewiesen
Gleichzeitig bieten Tausende Freiwillige in Traiskirchen ihre Hilfe an, werden aber von der gewinnorientierten Betreiberfirma ORS zurückgewiesen. Die Firma arbeitet im Auftrag des Innenministeriums. Ärzte, die das völlig überforderte medizinische Team in Traiskirchen verstärken wollten, wurden erst nach einer Amnesty-Rüge vom Innenministerium autorisiert.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zeigt sich überfordert. Sie ließ mehrere Zeltlager errichten, um Flüchtlinge unterzubringen, und schloss ein Abkommen mit der Slowakei, die sich bereit erklärte, vorübergehend 500 Asylwerber zu versorgen. Österreich übernimmt den Großteil der Kosten und bleibt für das Asylverfahren zuständig. Zudem hat sie 80 Polizisten an die ungarisch-serbische und die serbisch-mazedonische Grenze geschickt, um Flüchtlinge schon dort zu stoppen. Darüber hinaus will die Ministerin vor allem gegen Schlepperbanden vorgehen.
Der ehemalige sozialdemokratische Innenminister Franz Löschnak wirft der Regierung Dilettantismus vor: „Experten wissen seit vielen Monaten, dass dieser Zustrom an Kriegsflüchtlingen nicht nachlassen wird“. Bis Ende Juli wurden in diesem Jahr mehr als 40.000 Asylsuchende registriert. Bis Jahresende wird mit mindestens 35.000 weiteren gerechnet. Da die meisten aus Bürgerkriegsländern kommen, liegt die Anerkennungsquote bei rund 50 Prozent.
Aufklärungskampagne zeigt Wirkung
Die rechte Partei FPÖ plädiert schon lange dafür, Auffanglager in Nordafrika zu errichten – dort könne auch über Anträge auf Asyl entschieden werden. Ex-Minister Löschnak erklärt dazu, in Bürgerkriegsländern mit chaotischen Verhältnissen könne man vorerst gar nichts machen. In afrikanischen Ländern hingegen könne Aufklärung betrieben werden. In Westafrika gebe es zum Beispiel als Reisebüros getarnte Menschenhändler-Büros: „Da müsste längst schon die EU mit ihren Botschaften eingreifen.“
Im Kosovo hat eine Aufklärungskampagne des Innenministeriums im Frühjahr bereits Wirkung gezeigt: Anfang des Jahres waren tausende Menschen nach Österreich gekommen, um zunächst Asyl und dann einen Arbeitsplatz zu bekommen. Inzwischen ist die Zahl der asylsuchenden Kosovaren stark gesunken.
Doch während sich in einigen Orten Bürger gegen Flüchtlinge organisieren, verzeichnen Hilfsorganisationen gleichzeitig mehr Zulauf von Freiwilligen, die etwas spenden, Sprachunterricht geben oder eine Patenschaft übernehmen wollen. Der Verein „Afghanische Jugendliche – Neuer Start in Österreich“ hat Anfang August bereits zum vierten Mal ein Fußballturnier organisiert, um den interkulturellen Austausch zwischen Österreichern und Afghanen zu fördern.
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