Vergesst Kopenhagen!

Knapp fünf Monate nach dem Desaster des UN-Klimagipfels in der dänischen Hauptstadt bemühten sich Vertreter aus 45 Ländern bei einem informellen Dialog auf dem Petersberg bei Bonn um Schadensbegrenzung. Zuvor hatte der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) der Bundesregierung mögliche neue Wege für den Klimaschutz aufgezeigt.

„Klimapolitik nach Kopenhagen – Auf drei Ebenen zum Erfolg“ hat der WBGU sein Positionspapier überschrieben. Um den drohenden Anstieg der globalen Mitteltemperatur um mehr als zwei Grad Celsius zu verhindern, müssten die EU-Staaten ihrer Pionierrolle gerecht werden, indem sie ihre 20-20-20-Agenda zu einem „30-20-20-Programm“ erweitert: bis 2020 mindestens 30 Prozent weniger Treibhausgase, 20 Prozent Anteil erneuerbare Energien und eine 20 Prozent höhere Energieeffizienz. Das laut einer EU-Studie durchaus realistische Ziel, Europa bis 2050 ausschließlich mit erneuerbaren Energien zu versorgen, würde außerdem „frischen Rückenwind“ bringen, heißt es in dem Papier.

Strittige Fragen zunächst außerhalb der UN besprechen

Der Beirat empfiehlt des Weiteren, Klimaschutzallianzen „jenseits der G-2“ auszuloten, womit die Bremser USA und China gemeint sind. Neue Koalitionen mit Schlüsselländern wie Brasilien, Indien oder Japan könnten zum Motor eines neuen klimapolitischen Multilateralismus werden – etwa beim Waldschutz, beim Ausbau erneuerbarer Energien oder bei Hilfen zur Anpassung an den Klimawandel für besonders gefährdete Entwicklungsländer. Derlei Ideen passen zu dem, was auch beim Petersberger Klimadialog Verhandlungsziel war: die strittigen Fragen erst einmal unterhalb der schwerfälligen und kaum konsensfähigen UN-Gipfel zum Klimaschutz voranzubringen; der nächste wird im Dezember in Cancún (Mexiko) stattfinden.

Auf dem Petersberg bot die EU Entwicklungsländern technisches Know-how an, um Quellen von Treibhausgas zu erfassen. Die USA kündigten an, Indien bei der Einführung energiesparender Geräte zu unterstützen. Mit der Verständigung auf derlei Projekte habe man auf dem Petersberg zwar einen pragmatischen Ansatz gewählt, befand Greenpeace-Experte Martin Kaiser. Doch sei das zu wenig, um den notwendigen Rückgang der Treibhausgas-Emissionen zu schaffen.

Der scheidende Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, kritisierte Deutschland, im Bundeshaushalt 2010 seien statt der in Kopenhagen versprochenen 420 Millionen Euro Soforthilfe lediglich 70 Millionen Euro neu eingeplant. Der Rest seien Mittel, die längst für Entwicklungshilfe oder Waldschutz vorgesehen waren.

Immerhin setzte das Entwicklungsministerium (BMZ) rechtzeitig zur Konferenz noch ein Signal und bewilligte ein zinsgünstiges 500-Millionen-Euro-Darlehen für den Clean Technology Fund der Weltbank, der Klimaschutz-Technologien in fortgeschrittenen Entwicklungs- und Schwellenländern finanziert. Minister Niebel: „Wir dürfen mit Klimaschutz nicht auf ein neues Klimaabkommen warten, sondern müssen jetzt handeln.“

 

erschienen in Ausgabe 6 / 2010: Vom klein sein und groß werden
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