Die Einwohner von Harare und Kiew leiden unter einem Mangel an Rechtsstaatlichkeit, unter Korruption und fehlender Transparenz in Verwaltung und Wirtschaft. Der Austausch kam auf Wunsch von Harare zustande, weil die Orangene Revolution 2004 in der Ukraine für die Kommune im südlichen Afrika Vorbildcharakter hat. „Für uns ist sehr wichtig zu erfahren, wie sich die Stadt Kiew seitdem entwickelt hat, denn wir befinden uns in Simbabwe heute ebenfalls in einer Phase des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie“, sagt Emmanuel Chiroto, der stellvertretender Bürgermeister von Harare. Die Verhältnisse in beiden Ländern sind zwar nur begrenzt vergleichbar. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sich in beiden Hauptstädten eine äußerst aktive Zivilgesellschaft gebildet hat.
Münchens Partnerschaft mit der Hauptstadt der Ukraine entstand bereits 1989 im Zeichen der zunehmenden Entspannung zwischen West und Ost. Die Verbindung mit Harare ist dagegen jünger. Vor 15 Jahren haben die beiden Kommunen in der Städtepartnerschaft eine intensive Zusammenarbeit beschlossen. Damals war Simbabwe ein aufstrebendes Land im südlichen Afrika, erst ab 2000 trieb der Diktator Robert Mugabe es zunehmend in die Krise.
In der Ukraine hat es seit 2004 zwar Fortschritte in Fragen der Demokratisierung gegeben, doch demokratische Rechte stehen zum Teil nur auf dem Papier. So ist zum Beispiel die Justiz nicht immer unabhängig und Korruption weit verbreitet. Marktwirtschaftliche Strukturen existieren nur in Ansätzen und es fehlen klare Strukturen für politische und wirtschaftliche Entscheidungen sowie eine eindeutige Gewaltenteilung. Außerdem hat das Land große Probleme mit Prostitution und Sextourismus, die sich mit der Wirtschaftskrise seit 2008 verschärft haben.
In der Ukraine droht keine neue Diktatur, glauben NGOs
Auch nach dem Wahlsieg von Präsident Viktor Janukowitsch, der einst von der Orangenen Revolution gestürzt wurde, sind sich die Vertreter von nichtstaatlichen Organisationen in Kiew in einem Punkt aber einig: „Der Weg zurück in autoritäre Verhältnisse ist nicht mehr möglich. Keiner wird es wagen, die Rechte der Zivilgesellschaft einzuschränken“, betont Olena Gubar von ISAR, einer Organisation, die Bürgerinitiativen stärkt und begleitet.
Auch in Harare ist vorsichtiger Optimismus angebracht, seit die Einheitspartei ZANU-PF von Mugabe mit Oppositionsführer Morgan Tsvangirai von der Partei Movement for Democratic Change (MDC) im Februar 2009 eine Regierung der nationalen Einheit gebildet hat. Seitdem sind Vertreter der MDC in führende Positionen gelangt. „Die Zivilgesellschaft muss jetzt auch die Entscheidungen der MDC hinterfragen“, betont Zvikomborero Chadambuka von der simbabwischen Organisation „Anwälte für Menschenrechte“. Ein besonderes Problem sei die Bestechlichkeit von Amtsträgern. „Bei uns gehört Korruption zum System. Auch die MDC könnte davon betroffen sein. Hier müssen wir ganz genau hinschauen.“
Wie man Korruption bekämpfen kann, darüber konnte sich Harares zweiter Bürgermeister Emmanuel Chiroto in München bei städtischen Einrichtungen und bei der Siemens AG informieren. Auf Initiative der Hanns-Seidel-Stiftung fand ein Besuch bei der Anti-Korruptionseinheit des Elektronikkonzerns statt; Siemens hatte nach einem großen Schmiergeldskandal 2008 verschärfte Richtlinien gegen Korruption erlassen. „Für uns ist es sehr wichtig zu sehen, wie man in München und Kiew mit dem Problem der Korruption umgeht“, sagt Chiroto, ein MDC-Mitglied. Als einen ersten Schritt zu mehr Transparenz will er in Harare eine Plattform für den regelmäßigen Austausch zwischen Stadtverwaltung und Vertretern der Zivilgesellschaft schaffen.