Das verheerende Erdbeben in Nepal und die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer haben die Debatte über die humanitäre Hilfe und die sinkenden Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit in Österreich angeheizt. Die Regierung will die Bilanz vor allem schönrechnen.
Sie hat zwar längst beschlossen, dass der Auslandskatastrophenfonds von fünf auf 20 Millionen Euro vervierfacht werden soll, doch den Worten sind noch keine Taten gefolgt. Die der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für 2014 gemeldete offizielle Entwicklungshilfe (ODA) hat mit 0,26 Prozent des Bruttonationaleinkommens einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Von der Opposition über die entwicklungspolitischen Organisationen bis zu Kardinal Christoph Schönborn appellierten Experten und Engagierte an die Regierung, ihre Verantwortung für die Herkunftsländer der Flüchtlinge wahrnehmen. Nur wenn junge Menschen in Afrika eine realistische Zukunft sehen, unterließen sie die gefährliche Überfahrt, betonte etwa Schönborn in einem offenen Brief: „Jeder Mensch, den wir gemeinsam vom Hunger befreien, ist ein Mensch, der sich nicht gezwungen sieht, sein Leben in einer Nussschale zu riskieren“.
Mitte Mai versuchten Vertreter von 26 humanitären und entwicklungspolitischen NGOs, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hansjörg Schelling (beide ÖVP) mit Überraschungsbesuchen in Zugzwang zu bringen. Zu den Chefs vorgelassen wurden sie nicht. Die Auskünfte von Beamten fielen ernüchternd aus. Während Bundes- und Vizekanzler davon ausgehen, dass Finanz- und Außenministerium am Stufenplan zur Erhöhung der Entwicklungshilfe arbeiten, habe sich in den Gesprächen herausgestellt, dass das Finanzministerium noch keinen Auftrag erhalten habe, berichtete Annelies Vilim, Geschäftsführerin des Dachverbandes Globale Verantwortung, nach dem Treffen. Österreich gebe im Europäischen Jahr für Entwicklung eine „mehr als erbärmliche internationale Visitenkarte ab“.
Peinlich und inakzeptabel, kritisieren NGOs
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der sich gegen weitere Kürzungen der ODA stark macht, findet im eigenen Budget keine zusätzlichen Mittel. Deshalb hat er die SPÖ-geführten Ministerien aufgerufen, sich an der Entwicklungszusammenarbeit zu beteiligen. Nach Protesten der vom Finanzminister kurz gehaltenen Ressortchefs für Verteidigung, Gesundheit und Bildung wurde diese Idee wieder verworfen. Man einigte sich auf einen Ausweg, der nichts kostet: Die Einrechnung privater Spenden in das Auslandshilfe-Budget. Österreich wolle sich bei der OECD darum bemühen, dass dies möglich werde, sagte Vizekanzler Mitterlehner bei einer Pressekonferenz.
Das sei nicht nur „absolut inakzeptabel“, sondern auch eine „Peinlichkeit für einen Staat wie Österreich“, kommentiert Annelies Vilim diese Budget-Kosmetik. Der Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, Werner Kerschbaum, kann nicht glauben, dass die Regierung den Vorschlag ernst meint. Das Rote Kreuz sei klar dagegen. „Was den Menschen in unseren Partnerländern hilft, ist mehr Geld für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit und keine Rechentricks.“
Die NGOs haben einen Stufenplan vorgelegt, wie Österreich eine ODA-Quote von 0,7-Prozent erreichen kann, zu der sich die Regierung bekennt. Neben der sofortigen Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds auf 20 Millionen Euro ist darin für dieses Jahr die Verdoppelung der bilateralen Projekthilfe (EZA) auf 128 Millionen Euro vorgesehen. In den kommenden vier Jahren soll diese Summe schrittweise auf 500 Millionen Euro jährlich aufgestockt werden.
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