Frauenordination: Bekenntnis und Herkunft entscheiden
Die Frauenordination ist im Christentum ein Phänomen der Neuzeit. Die Heilsarmee war die erste christliche Kirche, die schon bei ihrer Gründung 1865 Frauen weihte. ...
Wie lange haben Sie auf diesen Beschluss gewartet?
Seit 1987. Damals war ich Studentin an der Near East School of Theology in Beirut und habe Religionspädagogik studiert. Danach hat mich niemand ermutigt, mich in dem Programm Masters of Divinity einzuschreiben, das Theologen aufs Pfarramt vorbereitet, weil bei uns damals nur Männer ordiniert werden konnten. Ich habe daraufhin mein Studium in Princeton in den USA fortgesetzt. Seit dieser Zeit sehne ich mich danach, dass Frauen und Männer die gleichen Möglichkeiten und Chancen haben.
Was wird sich mit dem Beschluss der FMEEC verändern?
Wann Frauen ordiniert werden, beschließen die einzelnen Mitgliedskirchen; die FMEEC hat keine Weisungsbefugnis. In meinem Fall wird die Presbyterianische Kirche von Syrien und dem Libanon entscheiden. Aber der Beschluss der FMEEC wird die Kirchen zu diesem Schritt ermutigen, besonders weil er einstimmig gefällt wurde und alle Kirchenführer, die bei der Synode abgestimmt haben, dazu verpflichtet, die Frauenordination zu unterstützen.
Wie viele Frauen im Nahen Osten warten denn zurzeit auf ihre Ordination?
Bis jetzt hat sich keine Frau in Syrien oder im Libanon für die Ordination gemeldet. In Ägypten gibt es eine, die die Weihe beantragt hat. In meiner Kirche gibt es vier Frauen, die ordiniert werden könnten; sie sind bereits Lektorinnen. Eine von ihnen leitet sogar schon eine Gemeinde in Tripolis. In diesem Fall war es die Gemeinde vor Ort, die sich für diese Frau als Pfarrerin entschieden hat. Ich selbst war die erste Frau, die in meiner Kirche Lektorin wurde. Das war 1993. Damals wollte ein Pfarrer deswegen die Kirche verlassen. In den vergangenen zwei Jahren wurden dann noch drei weitere Frauen Lektorinnen. Für die Kirche ist das ein Lernprozess und ich kann verstehen, dass es Zeit braucht. Als ich zum ersten Mal eine Pfarrerin ein Kind taufen sah, habe ich mich dabei auch nicht wohl gefühlt. Aber ich habe angefangen, darüber nachzudenken.
Meinen Sie, dass Pfarrerinnen von den muslimischen Gesellschaften im Nahen Osten akzeptiert werden?
Das ist nicht unsere Hauptsorge. Als Protestanten sind wir eine kleine Minderheit und die meisten Muslime akzeptieren, dass wir anders sind. Zum Beispiel setzen wir Wein beim Abendmahl in der Kirche ein. Ich denke, dass muslimische Religionsführer ordinierte Frauen akzeptieren werden.
Und was ist mit den Kollegen in der katholischen und den orthodoxen Kirchen?
Es wird dauern, bis sie sich daran gewöhnt haben. Sie haben auch lange gebraucht, bis sie unsere ordinierten Männer akzeptiert haben. Wir haben aber auch viele Anrufe von katholischen Frauen bekommen, die uns gratuliert haben. Sie führen den gleichen Kampf in ihren Kirchen. Frauenordination setzt einen Mentalitätswandel voraus, und ich hoffe, dass die Kirchen wieder die Führungsrolle auf dem Gebiet der vollen Beteiligung von Frauen übernehmen werden.
Wie meinen Sie das?
Im 19. Jahrhundert, als die evangelischen Missionare in diese Region kamen, waren sie die ersten, die Mädchen unterrichtet haben. Zu jener Zeit galten Mädchen in der Schule als Schande. Heute ist es vollkommen normal. Der Kirche ist es gelungen, die Mentalität zu verändern, und ich hoffe, dass sie wieder eine solche Rolle spielen wird. Im Nahen Osten gibt es Anwältinnen, Richterinnen und Frauen in Führungspositionen. Warum sollte es keine Pfarrerinnen geben? Die Kirche hinkt auf diesem Gebiet hinterher. Dabei ist die Frauenordination keine Frage um der Frauen willen, sondern um der Kirche willen. Frauen haben so viele Talente und Begabungen. Die Kirche kann darauf nicht verzichten.
Das Gespräch führte Katja Dorothea Buck.
Najla Kassab ist seit 1993 Lektorin in der Presbyterianischen Kirche von Syrien und dem Libanon. Die 45-jährige war in ihrer Kirche die erste Frau in dieser Position.