Die richtige Zeit für Klimaschutz

Ein ehrgeiziges grünes Investitionsprogramm könnte Europa aus der Krise führen. Doch so wie die Europäische Union sich jüngst aufgestellt hat, wird sie diese Chance wohl verpassen.

Die Europäische Union ist in schlechter Verfassung. Die Euro-Krise schwelt weiter, Haushaltskürzungen in betroffenen Staaten vertiefen die soziale Not und behindern eine Erholung der Wirtschaft. Der Konflikt mit Russland legt die gefährliche Abhängigkeit von Gasimporten aus dem Reiche Putins offen und erhöht die Spannungen zwischen Ost- und Südeuropa.

Autor

Bernd Ludermann

ist Chefredakteur von "welt-sichten".
Das alles sind – so seltsam es klingt – zusätzliche Gründe für eine entschlossene Klimapolitik. Die Europäische Union sollte dringend ein großes öffentliches Investitionsprogramm für Energieeinsparungen sowie für den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Speichertechnik und, wo nötig, der Netze auflegen. Dafür sollten die Staaten, ja, Kredite aufnehmen. Das ist zurzeit zu so niedrigen Zinsen möglich, dass es – richtig eingesetzt – nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich und politisch Gewinn brächte. Laut einer neuen Studie könnte die EU zum Beispiel mit Investitionen in die Gebäudedämmung einen Großteil ihrer Gasimporte bis 2030 überflüssig machen. In Südeuropa könnte aus Sonne Strom erzeugt und damit Erdgas synthetisiert werden. Arbeitsplätze würden entstehen, Staatseinnahmen steigen und die Abhängigkeit von Energieimporten mittelfristig sinken.

Lasten und Gewinne müssten fair verteilt werden

Das funktioniert allerdings nur, wenn die EU-Staaten den Umbau ihrer Energiesysteme zum gemeinsamen Projekt machen und für einen fairen Ausgleich von Lasten und Gewinnen sorgen. Denn es würde Verlierer geben – etwa die Kohlewirtschaft, die in Osteuropa stark ist. So wie die Europäische Union sich jüngst aufgestellt hat, dürfte sie diese Chance verpassen. Zwar will der neue Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, die Kommission offenbar stärker vom Einfluss einzelner Regierungen frei halten und Projekte im Interesse der Gemeinschaft vorantreiben – vor allem eine gemeinsame Energiepolitik und ein Konjunkturprogramm. Aber leider hat Juncker mit der Art, wie er die Kommission umstrukturiert und das Personal verteilt hat, die Klima- und Umweltpolitik drastisch abgewertet.

Der Rat der Regierungschefs nimmt sie kaum wichtiger. Der frühere polnische Ministerpräsident Donald Tusk, der auf Betreiben von Angela Merkel neuer Präsident des Rates ist, gilt als Befürworter einer Energie-Union, aber strikter Gegner von mehr Klimaschutz. Und Berlin lehnt gemeinsame Schulden sowie kreditfinanzierte Konjunkturprogramme dogmatisch ab. Das verlängert die Wirtschaftskrise und wird die Konflikte im Rat und zwischen Rat und Kommission anheizen. Kein gutes Klima für ein Zukunftsprojekt, das hohen gemeinsamen Einsatz erfordert.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2014: Hoffen auf die Mittelschicht
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