Südsudan: „Kiir und Machar sollten einer neuen Regierung nicht angehören“

Seit dem vergangenen Dezember tobt im Südsudan ein Bürgerkrieg. Rebellen unter dem früheren Vizepräsidenten Riek Machar kämpfen gegen Machthaber Salva Kiir. Rund 1,5 Millionen Menschen wurden vertrieben, es droht eine Hungersnot. Moses Monday John, Direktor der Friedensorganisation ONAD, erklärt, warum er auf Dialog und Versöhnung setzt.

Worin sehen Sie die Ursachen des Konflikts?

Das Land hat eine lange und bittere Geschichte der Marginalisierung hinter sich, und die Menschen wollen nicht von anderen beherrscht werden. In der Auseinandersetzung zwischen Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar geht es um die Macht und die Kontrolle der Ressourcen. Der Konflikt erhielt eine ethnische Dimension, weil Kiir Dinka ist, während Machar den Nuer angehört. Das aus der Guerilla SPLA entstandene südsudanesische Militär besteht zu zwei Dritteln aus Nuer, von denen nun viele für Machar Partei ergriffen haben.

Wie hat die Zivilgesellschaft auf die Kämpfe reagiert?

ONAD ist Teil des Netzwerks „Bürger für Frieden und Gerechtigkeit“. Das Netzwerk hat eine Erklärung verabschiedet, in der es seine Neutralität verkündete, einen Waffenstillstand, den freien Zugang für humanitäre Hilfe sowie eine Beteiligung an dem Friedensprozess forderte. Kiir und Machar haben sich beide bei einem Treffen Anfang Juni zu einem Friedensabkommen bereit erklärt, das innerhalb von 60 Tagen zu einer Regierung der nationalen Einheit führen sollte. Seit Anfang August wird erneut verhandelt. Das Netzwerk ist der Ansicht, Kiir und Machar sollten einer solchen Regierung nicht angehören. Stattdessen sollten sich Technokraten und Akademiker daran beteiligen sowie Mitglieder der inzwischen 20 Parteien im Land.

Ihre Organisation wurde bereits 1994 in der sudanesischen Hauptstadt Khartum gegründet. Aus welchem Anlass?

Viele Südsudanesen hatten wegen des Bürgerkriegs ihre Heimat verlassen und wurden am Rande von Khartum unter lebensfeindlichen Bedingungen angesiedelt. Viele von ihnen waren jung und fühlten sich an den Rand gedrängt. Ihre Kultur, ihre Sehnsüchte und Bedürfnisse wurden missachtet. Sie litten unter den gewaltsamen Konflikten zwischen den Ethnien und Religionen. Die Gründer, junge Studenten, erkannten vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit, diese Konflikte anzugehen und für einen gewaltfreien, friedlichen und demokratischen Sudan einzutreten. Unsere Organisation lehnt alle Formen der Gewalt ab und wünscht sich ein Land, in dem soziale Gerechtigkeit herrscht. Nach der Unabhängigkeit des Südsudan verlegte ein Teil der Organisation ihren Sitz nach Juba, während die Arbeit im Sudan weiter von Khartum aus koordiniert wird.

Welche Wurzeln hat Ihre Arbeit?

Viele Gründer waren Christen, und ihre Idee der Gewaltfreiheit ist christlich geprägt. Dennoch ist ONAD keine christliche Organisation, in ihr arbeiten auch Muslime und Menschen anderer Glaubensrichtungen. Wir richten uns besonders an Jugendliche und Frauen sowie an religiöse Führer und die Führer der Gemeinschaften.

Wie arbeiten Sie?

Wir veranstalten einen dreitägigen Grundlagenkurs in Gewaltfreiheit und ein zehntägiges Training für Trainer. Auf diese Weise erhalten wir einen Pool von Trainern, mit denen wir das Wissen über gewaltfreie Konfliktbearbeitung weiter verbreiten können – zum Beispiel, um Auseinandersetzungen zwischen Viehzüchtern und Bauern zu schlichten, die oft in Gewalt umschlagen. Außerdem initiieren wir Treffen zwischen der Verwaltung und Bürgermeistern mit Vertretern der Religionen, der Jugend, der Frauen und den traditionellen Führern, um Aktionspläne für eine nachhaltige Entwicklung voranzubringen. In unserem Jugendprojekt bilden wir junge Leute in Methoden der Gewaltfreiheit und der Versöhnung aus. Die Jugendlichen kämpfen in Kriegen, für die sie nicht verantwortlich sind. Mit unser „Schule für Demokratie“ sollen sie in die Lage versetzt werden, gewaltsame Konflikte in Zukunft zu verhindern.

Wie kann die internationale Gemeinschaft helfen?

Mit ihren Schutzcamps für Vertriebene macht die UN-Mission für Südsudan (UNMISS) eine wichtige Arbeit. Das gilt auch für ihre humanitäre, logistische und technische Hilfe. Aber ich habe starke Vorbehalte gegen militärische Interventionen. Denn die Erfahrung zeigt, dass das Militär nicht mit den Menschen vor Ort zusammenarbeitet. Genau das ist aber notwendig, um einen Konflikt langfristig zu lösen.

Das Gespräch führte Stephan Brües..

Die Publikation wurde ermöglicht durch Mittel von Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst. 

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erschienen in Ausgabe 9 / 2014: Atomwaffen: Abrüstung nicht in Sicht
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