Verwaschenes Textilsiegel

Entwicklungsminister Gerd Müller will für faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sorgen. Doch die angekündigte Einführung eines Siegels gerät ins Stocken. Gesetzliche Verpflichtungen sind unwahrscheinlich.

Müller komme nicht vom Fleck, er wisse noch immer nicht, wie das Siegel ausgestaltet und umgesetzt werden soll, kritisierten Anfang Juli die beiden Grünen Renate Künast, die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, und Uwe Kekeritz, der Sprecher für Entwicklungspolitik.

Das Versprechen, die Arbeitsverhältnisse in der globalen Lieferkette zu verbessern, verkomme zum Lippenbekenntnis. „Der Entwicklungsminister muss endlich ernst gemeinte Lösungsvorschläge anbieten, anstatt PR-Kampagnen zu fahren, die am Leid der Menschen in den Produktionsländern nichts ändern.“ Der Erklärung war eine kleine Anfrage im Bundestag an die Regierung vorausgegangen. Aus deren Antwort ist tatsächlich kein Fahrplan zu erkennen. Es bleibt sogar offen, ob am Ende überhaupt ein Textilsiegel stehen kann. Eine ursprünglich zum Jahresende anvisierte Einführung wird damit unwahrscheinlich. Über den Sommer soll nun ein Aktionsplan entwickelt werden. Dieser solle „die konkreten Schritte zu einem nachhaltigen Textilmarkt“ beschreiben, heißt es in der Antwort der Regierung.

Der so genannte Runde Tisch Textil hatte erstmals Ende April 2014 getagt. Ende Mai folgte ein Experten-Workshop des Bündnisses, an dem deutsche Bekleidungsunternehmen, der schwedische Hersteller H&M, Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sowie zivilgesellschaftliche Organisationen teilnahmen. Gemeinsame Ziele bleiben bislang vage: Die Rede ist von „gemeinsamen Einstiegsanforderungen, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen in den Produktionsländern hinausgehen“ – dies könnte etwa eine existenzsichernde Bezahlung anstelle von Mindestlöhnen bedeuten.

Gesetzliche Verpflichtungen sind bisher nicht vorgesehen

Die Regierung hält an dem Anspruch fest, die Nachhaltigkeitsanforderungen auf die gesamte Lieferkette zu beziehen – vom Baumwollfeld zum Bügel. Weil dies aber schwer überprüfbar ist, wird auch über eine Zertifizierung von Unternehmen nachgedacht. Die Frage sei, ob eine Bewertung der Lieferkette eines Unternehmens ein Urteil über die Nachhaltigkeit einzelner Produkte erlaube. Für die inhaltliche Kontrolle eines Siegels sollen nach den Plänen der Regierung Vertreter von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft beteiligt werden. Geprüft wird zudem eine Zusammenarbeit mit dem Dachverband Fairtrade International.

Gesetzliche Verpflichtungen für die Textilindustrie sind bisher nicht vorgesehen. Diese würden erst geprüft, wenn sich in den freiwilligen Verfahren „Lücken“ ergäben. Die Grünen werfen der Regierung vor, ihr fehle der Mut, Unternehmen ernsthafte Vorgaben zu machen. Die Ankündigung, einen gesetzlichen Rahmen vorzugeben, wenn eine Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht zum besseren Schutz von Arbeitern in Entwicklungsländern beitrage, werde nicht mehr erwähnt.

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erschienen in Ausgabe 8 / 2014: Gesichter der Karibik
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