Uganda: Der Brotkorb füllt sich

Mehr als 20 Jahre litten die Acholi im Norden Ugandas unter einem blutigen Bürgerkrieg. Nun bauen sie sich langsam ein neues Leben auf.

Die Acholi-Region im Norden Ugandas wird allmählich wieder zu einer friedlichen und sicheren Gegend. Langsam erholt sie sich von dem mehr als 20 Jahre währenden Bürgerkrieg zwischen der ugandischen Regierung und den Rebellen der Lord’s Resistance Army (LRA).

Der Weg zum Frieden war lang und steinig für die Bevölkerung. 2006 verhandelten die beiden Konfliktparteien im sudanesischen Juba. Zugleich stellte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehle gegen führende LRA-Mitglieder aus; die Gruppe zog sich in den Kongo und später in die Zentralafrikanische Republik zurück. Zuvor waren unzählige Bemühungen gescheitert, den Krieg zu beenden. Doch im August 2006 unterzeichneten Ugandas Regierung und die LRA endlich eine Vereinbarung, in der sie sich verpflichteten, die Feindseligkeiten einzustellen.

Autorin

Gloria Laker Aciro Adiiki

ist ugandische Journalistin und auf Frieden, Entwicklung, Umwelt und humanitäre Themen konzentriert. Sie lebt in Kampala.
2008 waren mehr als zwei Millionen Vertriebene in ihre Dörfer im Norden Ugandas zurückgekehrt. Die Wirtschaft blühte auf; kein Besucher würde heutzutage glauben, dass hier Krieg geherrscht hat. Wenn man in die Stadt Gulu hineinkommt, sieht man Banken, neue Krankenhäuser, Schulen und Straßen. Vor dem Krieg war Acholiland der „Brotkorb“ von Uganda, des Kongo und des Sudan. Nun wird zunehmend in die Landwirtschaft und neue Immobilien investiert.

Die Privatwirtschaft entwickle sich sehr gut, meint der Unternehmer Charles Nyeko. „Viele Leute gründen kleine Unternehmen, weil sie merken, dass sie damit mehr verdienen können, als wenn sie angestellt sind“, sagt er. Viele hätten nun mehr Geld – so wie Julio Meney aus dem Dorf Amuru. Er ist Landwirt und fährt reiche Ernten ein. „Meine Felder sind nun sicher und ich habe einen Traktor, um sie zu bestellen“, erzählt er.

Auch für andere läuft es gut. Die 58-jährige Witwe Rose Oryem aus Kalang hat ihren Mann und vier Söhne vor 14 Jahren an die Rebellen verloren. Gemeinsam mit ihren drei übrigen Kindern züchtet sie Ziegen für den Export. „Von meinem Gewinn kann ich unseren Lebensunterhalt bestreiten und die Rechnungen für medizinische Behandlungen und Medikamente bezahlen“, sagt sie.

Der Händler Onencan Jacob exportiert Mais, Bohnen, Hirse und Erdnüsse in den Sudan. Er sei sehr erfolgreich und könne jeden Monat etwas Geld zurücklegen, sagt er. „Jede Woche erhalte ich Bestellungen. Dank des Friedens kann ich die Waren kaufen, lagern und in den Sudan transportieren. Ich muss keine Angst vor Überfällen oder Minen haben, die meinen Lastwagen in die Luft sprengen.“

Doch nur wenige Acholi machen Geschäfte mit dem Sudan. Viele versuchen es, scheitern aber mangels Kapital. Manche von ihnen beteiligen sich deshalb an dörflichen Spar- und Kreditvereinigungen (VSLA). Die Mitglieder zahlen wöchentlich oder monatlich eine bestimmte Summe ein, und die Gruppenleiter bringen das Geld zur Bank. Kleinere Gruppen sammeln das Geld im Dorf und legen es in eine Holz- oder Blechkiste. Die Spareinlagen werden nach sechs Monaten oder einem Jahr von der Bank geholt und an die Mitglieder zurückverteilt – nach einem strengen Plan. Die Leute müssen keine langen Wege zur Bank auf sich nehmen und sich dort in die Warteschlange stellen.

Die Mitglieder von Spar- und Kreditvereinigungen führten ein besseres Leben, sagt Rose Lapolo aus Ongako. „Wenn das Geld verteilt wird, zahlen die Eltern Schulgeld, bringen ihre Kinder in die Klinik, kaufen Kleidung. Am wichtigsten ist jedoch, dass sie einen großen Teil ihrer Ersparnisse in ihre Landwirtschaft oder ihre Geschäfte reinvestieren.“ Erfolgreiche Gruppen haben zudem Zugang zu Mikrokrediten und können auf diese Weise ihr Einkommen steigern. In den Dörfern und Städten der Region entstehen neue Geschäftshäuser.###Seite2###

Vor einem Jahr hat die Regierung begonnen, die Straße zwischen Uganda und dem südlichen Sudan auszubauen, die durch Gulu führt. Für Maria Oketayot, die mit Lebensmitteln handelt, war das lange überfällig. „Die Straße zwischen Norduganda und Südsudan war die schlechteste in der Region. In der Regenzeit sind unsere Waren immer verdorben“, erinnert sie sich. Schulen sind an ihre ursprünglichen Orte zurückgekehrt, einige haben die Regierung und nichtstaatliche Organisationen (NGO) wieder aufgebaut. Sie erhielten Computer und einen Internetzugang, neue Klassenräume und Unterkünfte für die Lehrer.

Während des Bürgerkrieges verbrachten mehr als zwei Millionen Menschen in Norduganda über zwanzig Jahre dicht gedrängt in Lagern (die Armee brachte viele Acholi dorthin mit dem Argument, sie dort besser als in den verstreuten Dörfern vor Angriffen der LRA schützen zu können; Anm. d. Red.). Der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten, Jan Egeland, beschrieb die Lage einst als eine der schlimmsten humanitären Katastrophen weltweit.

Die LRA unter Joseph Kony entführte Kinder und machte sie zu Kämpfern in Uganda, im Sudan, im Kongo und nun in Zentralafrika, wo die Jagd auf die Rebellen weitergeht. Der Krieg machte die Landwirtschaft sehr schwierig und zerstörte einen Großteil der staatlichen Strukturen; grundlegende Dienstleistungen waren kaum noch verfügbar. 

Die Menschen in der Acholi-Region machten die schlimmste Zeit ihrer Geschichte durch. Kinder, Frauen und Männer wurden entführt, verstümmelt und vergewaltigt. Die Menschen in den Lagern litten an Hunger und Krankheiten. Viele Mädchen und Jungen mussten die Schule abbrechen, andere wurden unter Bedingungen unterrichtet, die ihre Leistung wenig förderten.

Das Leben vieler Mädchen wurde schon in jungen Jahren zerstört. Sie wurden von LRA-Rebellen entführt, vergewaltigt und geschwängert und kehrten mit Kindern nach Hause zurück. Dort hatten sie keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ihre Kinder wurden ausgegrenzt und „Lotino pa Kony“ genannt, Kinder, die in LRA-Gefangenschaft geboren wurden. Das wirkt bis heute nach.

Die Opfer der LRA sind schwer traumatisiert

„In Gulu und Nwoya nehmen viele junge Leute Drogen oder trinken Alkohol, um ihr Leid zu vergessen“, sagt der Norduganda-Experte Richard Komakech. Sie hätten keine Orientierung für ihr Leben, da ihnen jegliche Unterstützung fehle. Ein weiteres Erbe des Krieges und ein großes Hindernis für die Entwicklung der Region sind die zunehmenden Streitigkeiten um Land zwischen den in die Dörfer zurückgekehrten Familien. Sie führen zu Konflikten mit Toten und Verletzten und enden nicht selten mit Gefängnisstrafen. Viele Leute stecken viel Zeit und Geld in Prozesse vor korrupten Gerichten, doch am Ende verlieren arme Familien oft ihr Land und greifen zu Gewalt.

Obwona George Ogol, ein früherer Gesundheitshelfer in Staatsdiensten, führt die Streitereien und die Blockade von staatlichen Projekten auf bleibende Traumatisierungen zurück. „Fast jeder Mensch in Acholi hat direkt oder indirekt unter den Gräueltaten der LRA gelitten“, sagt er. „Sie reagieren deshalb extrem abwehrend auf Konflikte um Land oder auf die Pläne ausländischer Investoren.“###Seite3###

Laut offiziellen Angaben waren zwischen 2009 und 2011 mehr als 4000 Streitfälle um Land anhängig, aber lediglich ein Gerichtshof befasste sich damit. Und es tauchen immer mehr Fälle auf. Inzwischen werden sie zum Teil von den traditionellen Führern entschieden.

Die Acholi tun alles, damit sich ihr Leben verbessert. Sie haben die Regierung und das Parlament in Kampala aufgefordert, sich ihrer Probleme anzunehmen, und streiten für eine Entschädigung. Anfang April verabschiedete das Parlament einstimmig eine Resolution zur Notlage der Opfer des Bürgerkrieges. Der Abgeordnete Stephen Mukitale aus dem Distrikt Buliisa in Westuganda drängte die Regierung, die Schäden des Krieges und ihre Folgen für die Opfer zu dokumentieren, um Rehabilitierungsprogramme aufzulegen.

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Schon im November 2013 hatten ehemals entführte Mädchen und Jungen gemeinsam mit der NGO Invisible Children eine Petition an die Parlamentssprecherin Rebbecca Kadanga übergeben. Eine zweite Petition überreichten weibliche Kriegsopfer im Februar 2014 der Vereinigung der weiblichen Abgeordneten. „Wir bitten Sie, das Parlament von einer Entschädigungspolitik zu überzeugen, die uns hilft, unsere sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten anzugehen“, heißt es darin.

Michael Mubangizi von Invisible Children erklärt, seine Organisation freue sich über die Debatte. Es werde jedoch noch einige Zeit dauern, die Notlage von Frauen und Kindern zu lindern. Sollten die Forderungen erfüllt werden, erhalten die Kriegsopfer freien Zugang zu medizinischer Versorgung, und Mängel in der Bildung sollen durch berufliches Training ausgeglichen werden.

Trotz all dieser Bemühungen finden die Acholi, dass viel mehr getan werden müsse. Dort, wo es Entwicklungspläne gibt, sind sie der Öffentlichkeit kaum bekannt. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungen ist eingeschränkt. Die Stimmen der Ärmsten und Schwächsten werden nicht gehört, ihr Wissen über Rechte, Ansprüche und Titel bleibt gering. Der Norden Ugandas hinkt dem Rest des Landes hinterher – zwei Drittel der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, im nationalen Durchschnitt ist es nur ein Drittel. Die Jugendarbeitslosigkeit ist höher als in anderen Regionen, zu wenige Lehrer sind da, um die Kinder zu unterrichten.

So ruht eine große Hoffnung der Acholi auf den NGOs. Eine bedeutende Rolle spielen Radiostationen, die lebenswichtige Informationen verbreiten. Vor Jahren haben sie dazu beigetragen, dass Frieden eingekehrt ist. Viele Kämpfer der LRA haben sich gestellt, nachdem sie auf „Mega Fm“ in Gulu – gegründet 2002 von der britischen Entwicklungshilfeagentur DFID – Friedensbotschaften gehört hatten. Und noch heute bringen Radioprogramme die Entwicklung im Gebiet der Acholi mit Sendungen voran, die speziell auf Zielgruppen wie Bauern, Unternehmer, Frauen, Jugendliche und Kinder zugeschnitten sind.

Aus dem Englischen von Gesine Kauffmann.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2014: Lobbyarbeit: Für den Nächsten und sich selbst
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