(20.02.2014) Die Millenniumsziele zur Minderung von Armut und Krankheit werden bis 2015 wohl nicht erfüllt. Wie wird das dann erst, wenn Entwicklungsziele mit dem Erhalt des globalen Öko-Systems zusammengeführt werden und noch mehr nationale Interessen auf dem Spiel stehen? Nach Meinung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) muss eine verbindliche Überwachung her: Ein „Weltrat“, der aufpasst und auch tadelt.
Die Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung halte es für notwendig, einen „Global Council für soziale, ökologische und wirtschaftliche Fragen“ einzurichten, der weltweit eine menschenrechtsbasierte nachhaltige Entwicklung vorantreibt, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider in der am 19. Februar in Berlin vorgestellten Studie „Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben“.
Denn, so der Leitgedanke, die Erfahrung zeige, dass die Vereinten Nationen von exklusiven Clubs – den Industrieländern plus Russland G8 und die um die Schwellenländer erweiterte G20 – an den Rand gedrängt zu werden drohten. Und das, obwohl sie die einzige hinreichend legitimierte globale Architektur zur Durchsetzung internationaler Ziele sei.
EKD-Kammer: Mehr Druck entfalten im Kampf gegen die Armut
Das Ergebnis bislang: Schwache Kompromisse und – wie bei der Zwischenbilanz der Millenniumsziele (MDGs) – mangelnde Kritik an Regierungen, die hinter dem Möglichen zurückbleiben. „Da muss mehr Druck entfaltet werden“, mahnt der Vorsitzende der Kammer, der Grünen-Politiker Thilo Hoppe. „Länder müssen befürchten, dass sie an den Pranger gestellt werden.“
Die Ambitionen für eine Alternative sollten sich aber nicht zu einer Art „Weltregierung“ versteigen, warnt der EKD-Bevollmächtigte in Berlin und Brüssel, Martin Dutzmann. Sie sollten sich „zwischen realpolitischem Pragmatismus und langfristigen Visionen“ ansiedeln.
Was also muss sich verändern in der „Global Governance“, im globalen Regieren? Würde man ein Organigramm an die Wand werfen, bekäme man unzählige Organisationen, die nebeneinander und leider oft gegeneinander agieren, beklagt Hoppe. Von „Zuständigkeitsgerangel“ ist in der Schrift die Rede.
Daher greift der Rat einen Reformvorschlag für die UN aus dem Jahr 2006 vom damaligen Generalsekretär Kofi Annan auf. Eine Art „Weltrat für soziale, ökologische und wirtschaftliche Fragen“, wie ihn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schon 2008 und 2009 vorgeschlagen hatte – allerdings folgenlos.
Den zahnlosen Wirtschafts- und Sozialrat der UN aufwerten
Konkret könnte dieser entstehen, indem der gegenwärtige zahnlose Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) aufgewertet würde. Er könnte von 54 auf 27 Mitgliedsstaaten reduziert werden, die sich jährlich auf Ebene der Regierungschefs treffen, und sich – ähnlich wie der Weltsicherheitsrat – aus ständigen und alternierenden Mitgliedern zusammensetzen.
Weil auch kleinere Nationen sich von Alleingängen der exklusiven Clubs an den Rand gedrängt fühlten, sollten die G20 und der aufgewertete Weltrat sich allmählich aufeinander zubewegen. Auf einer verbreiterten legitimierten Basis könnten dann auch globale Abkommen für neue Nachhaltigkeitsziele (SDGs) nachdrücklicher eingefordert und überwacht werden.
Merkels Vorstoß für einen Weltrat sei auch deshalb im Sand verlaufen, weil das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministerium deutsche Interessen in G8 und G20 besser aufgehoben sahen, ist Hoppe überzeugt. Nun werde von der Großen Koalition propagiert, sie wolle mehr Verantwortung in der Welt übernehmen.
Warum sich dann also nicht dafür einsetzen, parallele Strukturen aufeinander zuzubewegen – zur Stärkung globaler Leitplanken in einer anarchischen Weltordnung, fragt der Kammervorsitzende. Deutschland könnte dies mit der Europäischen Union vorantreiben und im Bündnis mit Ländern, die sich von den „Neureichen“ ins Abseits gedrängt fühlen.
Der Kammer für nachhaltige Entwicklung gehören insgesamt 24 Mitglieder an, darunter die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), der neue Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), der EKD-Umweltbeauftragte Hans Diefenbacher und die Nachhaltigkeitsexpertin Gudrun Kordecki als Vize-Vorsitzende. Die Schrift wurde als Studie im Auftrag des Rates der EKD erstellt. Sie soll in wenigen Tagen auch in englischer Übersetzung vorliegen, um sie Kirchen und Institutionen in anderen Ländern zur Debatte zur Verfügung zu stellen.
Marina Zapf
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