Keine Kleinstaaterei!

Deutschland darf seine Vorreiterrolle beim Umstieg auf saubere Energie nicht aufgeben

Seine erste Auslandsreise führte Entwicklungsminister Gerd Müller Anfang Februar nach Indien. Dort unterzeichnete er gleich zwei Abkommen zur Entwicklungszusammenarbeit über knapp 900 Millionen Euro. Mit zunächst 250 Millionen Euro sollen erneuerbare Energien gefördert werden – ein sogenanntes Leuchtturmprojekt, das insgesamt eine Milliarde Euro Unterstützung aus Deutschland erhalten soll. Als „wichtige Zukunftshemen“ in der Kooperation mit dem Schwellenland  nannte der Minister denn auch Energieeffizienz und den Ausbau sauberer Quellen wie Wind, Sonne und Biomasse. Beim anschließenden Antrittsbesuch bei der Afrikanischen Union (AU) stand beides ebenfalls auf der Tagesordnung der Debatte über die künftige Zusammenarbeit.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Zur selben Zeit bemühte sich Müllers Parteifreund, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, nach Kräften, der Energiewende in Deutschland Steine in den Weg zu legen. Er verlangte, den Bau der Trasse auszusetzen, die nötig ist, um Strom aus den Windkraftanlagen an der Nordsee in den Süden des Landes zu transportieren. Aber zugleich ist er gegen den Ausbau der Windkraft in Bayern selbst – alles  mit Blick auf den heftigen Widerstand von betroffenen Anwohnern. Im Freistaat finden schließlich im März Kommunalwahlen statt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel betont zwar, die geplanten Stromtrassen seien unverzichtbar, wenn der Atomausstieg wie vorgesehen klappen soll. Doch Seehofer zeigt sich davon mäßig beeindruckt - ebenso wie andere Landesfürsten, die den eigenen Interessen einen klaren Vorrang geben vor nationalen Zielen. Globale Zusammenhänge geraten gleich völlig aus dem Blick. Das gilt leider auch für die große Koalition aus CDU und SPD: Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wird der Ausbau von Wind-, Solar- und Bioenergie gebremst – 2025 soll ihr Anteil an der Energieerzeugung 40 bis 45 Prozent betragen, zehn Jahre später 55 bis 60 Prozent. Behielte man das Tempo der vergangenen Jahre bei, stiege der Anteil der Erneuerbaren von derzeit rund einem Viertel bereits 2020 auf mehr als 45 Prozent.

Wichtiger Beitrag zur Diskussion über nachhaltige Entwicklung

Die Bundesregierung will bis Ostern einen entsprechenden Gesetzentwurf beschließen und damit offenbar Betreibern von Kohlekraftwerken sowie energieintensiven Industrien entgegenkommen. Das ist ein verheerendes Signal. Denn Deutschland könnte mit seiner Abkehr von Atomkraft, Kohle und Öl durchaus zum Vorbild für Schwellenländer wie Brasilien, Indien und China, aber auch für Entwicklungsländer wie Äthiopien werden. Die Diskussion darüber, wie wirtschaftliche Entwicklung mit dem Kampf gegen die Armut und dem verantwortungsvollen Umgang mit Naturressourcen verknüpft werden kann, ist in vollem Gange.

Sie spiegelt sich auch in der Debatte über nachhaltige Entwicklungsziele wider, die nach 2015 die Millenniumsziele der Vereinten Nationen ablösen sollen. Deutschland könnte da seine Erfahrungen einbringen. Der Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, Dirk Messner, bescheinigt der Bundesrepublik eine „wichtige Vorbildfunktion“. Er zeigt sich überzeugt, dass sich viele Länder in dieselbe Richtung entwickeln würden, wenn Deutschland als reiche Industrienation beweist, dass es technisch machbar und finanzierbar ist, den Energiebedarf eines Industrielandes vollständig aus erneuerbaren Quellen zu decken.

Die Energiewende darf also nicht als rein nationale Angelegenheit verstanden werden. Sie spielt eine große Rolle für die Kohärenz verschiedener Politikfelder – Umwelt, Wirtschaft und Entwicklung – und ihr Gelingen ist nicht zuletzt eine Frage der Glaubwürdigkeit. Die Förderung erneuerbarer Energien in armen Ländern kommt den Menschen dort in jedem Fall zugute – sei es, weil sie endlich überhaupt Strom bekommen, sei es, weil die Nutzung von Energieträgern wie Sonne und Wind Devisen spart oder besser für Umwelt und Gesundheit ist. Doch Entwicklungsminister Müller kann das deutsche Engagement für saubere Energie im globalen Süden sehr viel überzeugender vertreten, wenn er auf Erfolge und entschlossenes Handeln zu Hause verweisen kann.

Natürlich muss über Kosten und Risiken der Energiewende gesprochen werden, natürlich ist es wichtig, die Mehrheit der Bürger und Unternehmen mitzunehmen, damit sie ein Erfolg wird. Und mit Sicherheit kann das deutsche Modell nicht eins zu eins auf andere Länder übertragen werden. Aber es wäre fatal für die Debatte über nachhaltige Entwicklung, wenn die Energiewende an wirtschaftlichen Interessen, nationaler Begrenztheit oder - noch schlimmer - an Kleinstaaterei scheitern würde.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2014: Medizin: Auf die Dosis kommt es an
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