Gerd Müller (CSU) spricht viel von Werten und von „christlicher Verantwortung“. „Entwicklungspolitik ist nichts weniger als die Gestaltung der globalen Zukunft und die Bewahrung der Schöpfung“, sagt er in seinem ersten Statement. Ohne Zweifel, der Minister beginnt sein Amt mit hehren Ansprüchen. Das Menschenrecht auf Nahrung, die ökologisch-soziale Marktwirtschaft als Standard des globalen Handels, der Ausbau seines Hauses zu einem Zukunfts- und Friedensministerium – das sind einige der Schlagworte, mit denen er in ersten Interviews seine Schwerpunkte skizziert. Wie er diese Ziele realpolitisch herunterbrechen und im Geflecht der Einzelinteressen am Kabinettstisch vertreten wird, darauf sind nun viele gespannt.
Prominent aufgetreten ist er als Staatssekretär im Agrarministerium nicht. Dafür hat er in der Partei Horst Seehofers einen guten Stand. Als Bedeutungszuwachs wertet Müller schon, dass er einen zweiten parlamentarischen Staatssekretär erhalten hat. Als nächstes stellt Müller klar, dass er – nicht der SPD-Kollege im Auswärtigen Amt – die Bundesregierung bei den UN-Verhandlungen über die Post-2015-Agenda für globale Nachhaltigkeitsziele vertreten wird, bei der es um ein Gesamtpaket aus Entwicklung, Klimaschutz und Energiepolitik geht. Schließlich befasse sich sein Ministerium schon seit Jahrzehnten mit diesen Fragen, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Der Schutz von Ressourcen wie Böden, Wasser und Luft fällt für ihn unter die „globale Verantwortung für die Schöpfung“.
Müller plädiert für eine andere Handelspolitik
Weil ein Fünftel der Menschheit über vier Fünftel des Wohlstands verfügt und zwei Drittel der globalen Umweltbelastung verursacht, hält Müller einen „Umbau“ zugunsten der Ärmsten für nötig. Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik ist im Koalitionsvertrag als Auftrag verankert. Dafür müssten die Industrieländer ihre Handelspolitik und die Menschen ihr Konsumverhalten ändern. In arme Länder sollten beispielsweise agrartechnische Kenntnisse zur Verbesserung der Ernährungslage exportiert werden und nicht landwirtschaftliche Produkte. In Afrika und in anderen ländlichen Räumen der ärmsten Länder ließen sich mit besseren Methoden und Maschinen Ernten mehr als verdoppeln und Lagerverluste halbieren. Zugleich sucht Müller die Nähe zu den Schwellenländern: Er freue sich auf eine Reise nach Indien, zu der Bundespräsident Joachim Gauck ihn eingeladen habe, sagte er der Zeitung „Die Welt“. Zum Schutz des Regenwaldes sei mit Brasilien auch in Zukunft eine enge Zusammenarbeit notwendig.
Wie in Afghanistan Entwicklungshelfer während und nach dem Abzug der Nato-Schutztruppen einigermaßen sicher arbeiten können, will Müller selbst vor Ort besprechen. Im Februar steht das neue Bundeswehrmandat zur Entscheidung an. Da „muss der zivile Aufbau breiten Raum einnehmen“, fordert er gegenüber der „Rheinischen Post“ und kündigt Gespräche mit dem Außenminister und der Verteidigungsministerin an. „Wenn wir nach dem Rückzug der Kampftruppen nicht ein Desaster erleben wollen, müssen wir darauf achten, dass es Schulen, Straßen, Märkte und Arbeitsplätze gibt.“ Dafür werde Deutschland mehr Geld ausgeben müssen.
Überhaupt hält Müller eine stärkere Entwicklungszusammenarbeit mit Krisenregionen als „Friedenspolitik“ für vorrangig. Dazu gehöre auch ein neuer Vorstoß für ein Mittelmeer- und Nordostafrikakonzept. Wie der bisherige CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich sieht er zudem eine Lösung des Flüchtlingsdrucks auf Europa darin, den Menschen in ihren Heimatländern eine bessere Lebensperspektive zu eröffnen.
Wen der Minister als Mitstreiter für seine Pläne gewinnen will, machte er gleich zu Anfang deutlich: Bei der Welthungerhilfe und dem Verband der entwicklungspolitischen Organisationen und Hilfswerke Venro war man überrascht, als der Neue bereits am dritten Amtstag seine Aufwartung machte. Der Venro-Vorsitzende Bernd Bornhorst sieht darin ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit der Zivilgesellschaft – hier und in den Partnerländern. Man wolle dem neuen Entwicklungsminister ein guter Sparring-Partner sein und sein Wirken kritisch und konstruktiv begleiten, betonte Bornhorst.
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