Um die Diskussion zu beleben, erhielten die Synodalen erstmals keinen ausgearbeiteten Entwurf für ihre Kundgebung, sondern 49 Textbausteine. Sie behandeln die Ursachen von Hunger, theologische Grundlagen sowie Schlussfolgerungen für die Politik und die Kirchen. Die Synode sollte selbst Schwerpunkte setzen.
Die Debatte begann nach der Bibelarbeit mit geballter Expertise. Alexander Müller vom Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam bestätigte, dass Hunger eine Frage der Verteilung ist – heute sei genug für alle da. Doch das, so zeigte er, könnte sich mit dem Bevölkerungswachstum, der Verstädterung, der Verbindung von Agrar- und Energiemärkten und dem Klimawandel ändern.
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Professor Joachim von Braun vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn erklärte, Hunger sei mehr als ein Mangel an Kalorien: Viel mehr Menschen litten Mangel an Mikro-Nährstoffen. Er verlangte unter anderem, dem Ausschluss von Menschen entgegenzuwirken – etwa mit Rechts- und Sozialpolitik –, weniger Fleisch und Agro-Kraftstoffe zu verbrauchen und in kleinbäuerliche Landwirtschaft zu investieren, ohne aber alle Bauern auf der Scholle halten zu wollen. Man brauche Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und solle die grüne Gentechnik undogmatisch neu bewerten. Das letzte traf auf Skepsis. Insgesamt ließ die globale Analyse viele Synodale beeindruckt, aber etwas ratlos zurück. Sie äußerten einzelne Wünsche für die Kundgebung – etwa den Klimawandel zu betonen, etwas zur Ethik des Umgangs mit Tieren zu sagen und die Leistung der Landwirte stärker zu würdigen.
Kirchen sollen mit Agrarwirtschaft in Dialog treten
Angeregt wurde, dass der Rat der EKD 40 Jahre nach der Entwicklungsdenkschrift von 1973 eine neue Denkschrift zum Thema erarbeiten solle. Vor Ablauf der angesetzten Zeit verebbte dann die Diskussion; die Ausarbeitung der Kundgebung blieb weitgehend dem Vorbereitungsausschuss überlassen. Im Ergebnis stellt die Kundgebung das Welternährungsproblem knapp aber differenziert dar und ruft zur geistlichen wie politischen Umkehr auf. Es folgen eine Reihe konkrete Forderungen. Der Hunger könne und müsse bis 2030 vollständig überwunden werden, erklärten die Synodalen. Dazu müsse etwa der Nahrungsbedarf Vorrang vor der Nachfrage nach Futtermitteln und Agrar-Kraftstoffen haben. Die Europäische Union solle Hilfen für Landwirte an nachhaltige Anbauweisen binden und den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken.
Die Kirchen ruft die Synode auf, stärker mit Landwirten und der Agrarwirtschaft in Dialog zu treten und kein Geld in Agrarfonds anzulegen. Sie sollten mehr ökofair einkaufen und Kirchenland – rund ein Prozent der deutschen Agrarflächen – vorwiegend an regionale und nachhaltig wirtschaftende Pächter geben. Über beides entscheiden allerdings die Landeskirchen.
Die Kundgebung der EKD-Synode ist geprägt von der Einsicht, dass Klimaschutz und Ernährungssicherung eine soziale Transformation Richtung Selbstbegrenzung erfordern. Manche Schritte dahin bleiben allerdings strittig. So war die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft am Ende enttäuscht: Sie vermisste eine klare Stellungnahme gegen die Verdrängung der Kleinbauern in Deutschland.
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