Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland werden trotz ihrer Kenntnisse nur selten an Diskussionen und Entscheidungen zur Politik gegenüber dem Kontinent beteiligt, zu dem sie oft intensive Kontakte pflegen. Die Debatten über die Zukunft Afrikas würden stattdessen von der „Entwicklungshilfeindustrie“ und selbsternannten Afrika-Experten dominiert, hieß es auf einer Konferenz zur Rolle der afrikanischen Diaspora im September in Frankfurt.
Dass die afrikanische Diaspora wenig Einfluss hat, liegt unter anderem daran, dass sie kaum Zugang zu den Medien hat und ihre Expertise nicht anerkannt ist. Es gibt jedoch auch innere Grenzen bei den Diaspora-Mitgliedern selbst: „Stigmatisierte Menschen nehmen irrationale Verhaltensweisen an“, sagt Charles Onana, der in Kamerun geboren wurde und in Frankreich als Journalist und Schriftsteller lebt. Sie würden ihre Talente oft gegenseitig nicht anerkennen und einander in den Schatten stellen, statt dafür zu sorgen, dass „das Potential der klugen Köpfe von der individuellen auf die kollektive Ebene übergeht“. Mit anderen Worten: Die Chancen liegen vor allem in der Vernetzung. Darin hat Abdour Rahime Diallo, dessen Eltern aus Guinea kommen, große Erfahrung. Er hat dafür gesorgt, dass sich in Nordrhein-Westfalen Männer und Frauen afrikanischer Herkunft zusammenschließen.
„Die afrikanische Diaspora in Europa muss sich organisieren“
Diallo weiß, worauf es ankommt: Er ist Vorstandsmitglied des Vereins „Migration Entwicklung Partizipation“ (MEPa e.V.), eines bundesweiten Verbands von Fachleuten aus der afrikanischen Diaspora und anderer Regionen. Seit 2011 arbeitet er beim Aufbau der African Europe Platform for Development mit, eines Netzwerks afrikanischer Diaspora-Organisationen in den 28 EU-Mitgliedstaaten, der Schweiz und Norwegen.
Die afrikanische Diaspora wird seiner Ansicht nach eine zunehmend wichtige Rolle als Mittlerin zwischen afrikanischen Staaten und Europa spielen. Nicht zuletzt wegen des ökonomischen Gewichts der Rücküberweisungen von Migranten aus Afrika zurück in ihre Heimatländer haben zahlreiche afrikanische Staaten Diaspora-Ministerien eingesetzt. In zwölf Staaten Afrikas, der Karibik und der Pazifikregion hat Diallo dieses Jahr bereits Schulungen in politischer Strategieentwicklung durchgeführt, viele weitere Länder wollen in den nächsten Jahren folgen – und suchen laut Diallo „händeringend nach Trainern“.
Autorin
Anja Ruf
ist freie Journalistin in Frankfurt am Main.In der „Frankfurter Erklärung“ der rund 80 Teilnehmer der Konferenz heißt es: „Wir sehen es als dringende Aufgabe an, eine neue Qualität in den Beziehungen zwischen Afrika und Europa zu suchen. Dafür muss sich die afrikanische Diaspora in Europa mobilisieren, organisieren und neue Bündnisse mit progressiven Gruppen schließen.“ Die Ideen für die Arbeit sind vielfältig. Eine Teilnehmerin schlug vor, eine Plattform für Informationen über Afrika aufzubauen, die nicht „weiß-europäisch gefärbt“ sind. Die Spannbreite der Vorhaben reicht von Maßnahmen, die die Fähigkeit zur Selbstbehauptung stärken sollen, bis zu politischen Aktionen zum Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Afrika anlässlich der Europawahlen 2014. Und die anwesenden Frauen forderten für die nächste Konferenz eine stärkere Berücksichtigung der Genderfrage.
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