Unbeabsichtigt zynisch geriet die Aktion der entwicklungspolitischen Lobbyorganisation ONE zur Hungerkrise in Somalia vergangenes Jahr. „Beende die Hungersnot“lautete die Aufforderung auf der ONE-Website, mit der die Organisation dazu anregen wollte, eine Petition an die wichtigsten Staats- und Regierungschefs zu unterschreiben. Natürlich weiß ONE, dass es so einfach nicht ist. Aber derlei Kampagnen transportieren die ewig gleiche Botschaft: Dem Afrikaner kann aus seiner Misere geholfen werden, wenn der weiße Mann sich nur mal einen ordentlichen Ruck gibt. Oder die weiße Frau: Unlängst hat ONE die TV-Schauspielerin und Sängerin Anna Loos nach Ghana geflogen, damit sie dem heimischen Publikum erklärt, wie dort die Lage ist und was getan werden sollte, um sie zu verbessern. Der anschließende Talkshow-Auftritt brachte allerdings nur peinliches Gefasel und offenbarte, dass dafür vielleicht doch mehr nötig wäre als eine aufgebauschte Stippvisite. Solche Helferinnen hat Afrika wahrlich nicht verdient.
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Die US-amerikanische Hilfsorganisation„Invisible Children“hat das Buhlen um Aufmerksamkeit für eine vermeintlich gute Sache jetzt grotesk auf die Spitze getrieben. In einem flotten halbstündigen YouTube-Video in perfekter Werbefilmästhetik bläst sie zur Jagd auf Joseph Kony, den Anführer der „Lord’s Resistance Army“, die seit Jahrzehnten im Dreiländereck Uganda, Südsudan und Kongo Terror, Angst und Schrecken verbreitet. Auch hier lautet die Botschaft: Wir alle können das Problem für Afrika lösen, wenn wir nur wollen (unter anderem dadurch, dass wir „Invisible Children“ Geld spenden). Für den 20. April ruft die Organisation zum internationalen Fangt-den-Kony-Aktionstag auf; die dafür nötigen Utensilien wie Poster, Aufkleber und Armbänder kann man bei „Invisible Children“ bestellen. Die Massenmörderjagd als popkulturelles Happening. Internationale Strafgerichtsbarkeit als Bürgerprojekt wie die Montagsdemo gegen Fluglärm.
Bis Mitte März hatte der Kony-Film fast 80 Millionen Zuschauer, was „Invisible Children“ohne Zweifel als Erfolg verbucht –ebenso wie es die Entsendung von 100 US-Elitesoldaten nach Afrika zur Kony-Jagd Ende vergangenen Jahres als Erfolg der eigenen Arbeit feiert. Solche Helfer haben die Afrikaner nicht nur nicht verdient. Man müsste sie eigentlich vor ihnen schützen.
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