Die Gier nach Land zügeln

Globale Regeln für den Umgang mit Landrechten sollen dazu beitragen, dass Geschäfte mit Land nicht auf Kosten der lokalen Bevölkerung gehen. Diese Regeln sind allerdings freiwillig. Wie ihre Anwendung überwacht werden soll, wird derzeit verhandelt.

Land ist ein kostbares Gut und sein Wert wird steigen. Immer mehr Menschen auf der Erde müssen ernährt werden, und auch der Bedarf nach Energie und damit Agro-Treibstoff nimmt zu. So sind die Begehrlichkeiten in den vergangenen Jahren gewachsen. Unternehmen und Regierungen kaufen oder pachten zunehmend Flächen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, um dort Lebensmittel oder Energiepflanzen anzubauen. Das Nachsehen haben oft diejenigen, die die Flächen zuvor bewirtschaftet haben, aber keinen Landtitel besitzen. Diese Entwicklung ist als „land grabbing“ bekannt.

Den damit verbundenen Rechtsverletzungen will die internationale Gemeinschaft mit Regeln für den Umgang mit Landrechten entgegenwirken. Die 124 Mitgliedsstaaten des Welternährungsausschusses der Vereinten Nationen haben dazu im Mai 2012 „Freiwillige Leitlinien zur verantwortlichen Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern“ beschlossen. An den vorangegangenen Verhandlungen waren auch Vertreter von Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Wissenschaft beteiligt. Die Leitlinien werden von den verschiedenen Seiten entsprechend als Fortschritt bewertet – als „großer Erfolg“ oder gar „historischer Meilenstein“.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Sie sind das erste völkerrechtliche Instrument, das sich von Menschenrechtsstandards ausgehend mit dem Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen befasst. Die Leitlinien beschreiben, wie die Verwaltung, die Verpachtung und der Verkauf von Land unter Achtung des Menschenrechts auf Nahrung und der Eigentums- und Nutzungsrechte der lokalen Bevölkerung gestaltet werden sollten. Konsultationen mit Kleinbauern und Nomaden im Vorfeld von Investitionsentscheidungen sollen sicherstellen, dass insbesondere informelle und traditionelle Landrechte sowie die Beteiligung von Mädchen und Frauen angemessen berücksichtigt werden. Ferner werden die Staaten aufgefordert, auf nationaler Ebene den Umgang mit großflächigen Landinvestitionen zu regeln.

Doch wie zügig und wirksam werden die freiwilligen Leitlinien verwirklicht? Alicia Kolmans vom katholischen Hilfswerk Misereor sieht Bewegung auf vielen Ebenen. Das Dokument werde „ernst genommen“, Gremien und Institutionen wie die Gruppe der größten Industrienationen G8 und die Weltbank „bekennen sich dazu“, erklärt die Entwicklungsexpertin. Michael Windfuhr vom Deutschen Institut für Menschenrechte attestiert der Bundesregierung und der Welternährungsorganisation FAO eine „hohe Verpflichtung“. Auch UN-Generalversammlung hat in einer Resolution die Staaten dazu ermutigt, die Leitlinien gebührend zu berücksichtigen.

Unternehmen sollten stärker in die Verantwortung genommen werden

Im Abschlusskommuniqué ihres diesjährigen Treffens in Lough Erne etwa haben die Regierungschefs der G8 angekündigt, mit Hilfe von Länderpartnerschaften – beispielsweise zwischen Deutschland und Namibia – nationale Entwicklungspläne zu fördern, um bis 2015 die Regelungen der Landnutzung (land governance) und die Transparenz bei Geschäften mit Land zu verbessern. Für die G8 sehen deutsche NGOs wie Misereor, „Brot für die Welt“, Fian, Oxfam und die Welthungerhilfe jedoch vor allem weiteren Regelungsbedarf bei dort ansässigen Unternehmen, die im globalen Süden in Land investieren. Sie müssten stärker in die Verantwortung genommen werden, heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier vom April. Die G8-Staaten müssten verbindliche Rechenschaftspflichten für solche Konzerne schaffen sowie Sanktionsmechanismen, wenn diese gegen Menschen- und Landrechte verstoßen.

Zuständig in Deutschland für die Umsetzung der Leitlinien sind das Landwirtschaftsministerium (BMELV) und das Entwicklungsministerium (BMZ). Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstütze ihre Partnerländer auf der Grundlage dieser Prinzipien dabei, Bodenpolitiken, Landnutzungspläne und Registrierungen zu erarbeiten und anzuwenden, erklärt BMZ-Sprecher Sebastian Lesch. Derzeit liefen rund 60 Vorhaben, die sich ganz oder teilweise der Bodenpolitik widmen. Die Transparenz bei der Vergabe von Land sei in diesem Jahr Schwerpunktthema. Das BMELV starte noch in diesem Jahr gemeinsam mit der FAO ein Projekt in Sierra Leone, um dort das Regelwerk voranzubringen, teilte Sprecherin Mareike Enderle mit. Beide Ministerien arbeiten in einer „Arbeitsgruppe Land“ zusammen, der auch nichtstaatliche Akteure wie Misereor, Brot für die Welt und das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik angehören.

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Laut FAO haben bislang Vertreter von Regierungen, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Wissenschaft aus 85 Ländern an regionalen Workshops teilgenommen, auf denen die Leitlinien vorgestellt und Ideen für ihre Anwendung auf nationaler oder regionaler Ebene entwickelt wurden. Gemeinsam mit der Weltbank sei im Mai eine Initiative gestartet worden, um in den westlichen Balkanländern den Zugang benachteiligter Gruppen zu Land zu verbessern. Ferner arbeite die FAO eng mit der Ukraine zusammen, die zu Beginn dieses Jahres ein neues Katasterwesen für die Registrierung und die Verwaltung von Land eingeführt hat. Auch die russische Regierung werde bei der Landvermessung und  registrierung unterstützt. Insgesamt haben nach FAO-Angaben bislang mehr als 20 Länder um Hilfe nachgesucht, um die Leitlinien zu verwirklichen.

In afrikanischen Ländern, die besonders häufig das Ziel von land grabbing sind, sieht Lorenzo Cotula vom Internationalen Institut für Umwelt und Entwicklung (IIED) Anzeichen dafür, dass einige Regierungen gegenüber Landkäufen ausländischer oder einheimischer Konzerne zurückhaltender geworden sind. So habe etwa Tansania neue Landerwerbungen für den Anbau von Reis auf maximal 5000 Hektar begrenzt und für den Anbau von Zuckerrohr auf 10.000 Hektar. Cotula führt diesen Trend unter anderem auf die FAO-Leitlinien sowie die „Land Policy Initiative“ der Afrikanischen Union zurück.

Die Einhaltung der Leitlinien muss überwacht werden

Die freiwilligen Leitlinien richten sich nicht nur an Regierungen und Unternehmen. Sie sollen zudem nichtstaatlichen Organisationen (NGO) Möglichkeiten an die Hand geben, unlautere Landgeschäfte aufzudecken oder sich dagegen zu wehren. Misereor und „Brot für die Welt“ haben dafür eine Handreichung für ihre Partner erarbeitet. Die Resonanz darauf sei jedoch eher verhalten, sagt Alicia Kolmans von Misereor. Die Partner bezweifelten den politischen Willen ihrer Regierungen, die Leitlinien anzuwenden – sie seien schließlich freiwillig. „Die Skepsis ist groß“, erklärt Kolmans. Sie berichtet von der Bitte mehrerer indonesischer Dorfgemeinschaften an den örtlichen FAO-Repräsentanten, sich bei der indonesischen Regierung für die Wahrung ihrer informellen Landrechte einzusetzen – mit ausdrücklichem Bezug auf die Leitlinien. Dieser habe aber nur das Schreiben weitergeleitet. „Hier hätten wir uns mehr Engagement gewünscht“, meint Kolmans.

Sie selbst sieht – wie auch Michael Windfuhr vom Deutschen Institut für Menschenrechte – die Freiwilligkeit der Leitlinien als weniger problematisch an. Ein bindendes Instrument wäre nicht durchsetzbar gewesen, meinen sie übereinstimmend. Umso wichtiger ist es, einen funktionierenden Mechanismus zu schaffen, mit dem ihre Einhaltung überwacht werden kann. Die Verhandlungen darüber sind derzeit beim Welternährungsausschuss in vollem Gange – ebenso wie die Entwicklung von Prinzipien für verantwortliche Investitionen in der Landwirtschaft. Sie sollen im kommenden Jahr vorliegen. All dies bedeute nun aber nicht, dass die Zivilgesellschaft in ihrer Wachsamkeit nachlassen dürfe, warnt Lorenzo Cotula vom IIED. Viele umstrittene Landgeschäfte seien noch in Kraft und weitere würden noch immer unterschrieben.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2013: Landrechte: Auf unsicherem Boden
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