Als die Weltbank in Washington 2012 ihre jährliche Mega-Konferenz zu Land abhielt, tönte es vor dem Gebäude: „Weltbank raus aus dem Landsektor!“ Diese klare Forderung des internationalen Kleinbauernnetzwerks „La Via Campensia“, die von nichtstaatlichen Organisationen wie FIAN mitgetragen wurde, resultiert aus der jahrzehntelangen Erfahrung von Bäuerinnen und Bauern mit der Weltbankpolitik im Landsektor.
Die Weltbank hat seit Jahrzehnten einseitig marktbasierte Ansätze von Landmanagement vorangetrieben. Die Privatisierung von Land und die Umwandlung von traditionellen Landrechten und Gewohnheitsrechten in individuelle, auf einem Landmarkt handelbare Landtitel sind ihr Kerngeschäft – beispielsweise in Thailand, Uganda oder Ghana. Traditionelle Nutzungssysteme sind aber oft vielschichtig; sie geben nicht einem Besitzer alle Rechte, sondern beinhalten Sammelrechte von Frauen oder saisonale Weiderechte. Mit der Privatisierung werden sie auf einen individuellen Besitztitel reduziert. Spätestens bei Weiterverkauf des Lands werden solche Sekundärrechte nicht mehr geduldet. So leiden oft marginalisierte Gruppen wie Frauen oder Hirten unter dem Übergang zu Privatbesitz – entgegen universellen Menschenrechtsstandards.
Autor
Roman Herre
ist Agrarreferent bei der deutschen Sektion der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN.Landmärkte setzen zudem auf Konkurrenz. Doch arme Kleinbauern sind gegenüber reichen Eliten oder Konzernen in einer viel schlechteren Ausgangslage. Bei der hohen Nachfrage nach Land ist es fahrlässig anzunehmen, dass ein Kleinbauer sich auf diesem Markt behaupten kann. Zudem ist die Politik der Weltbank Teil einer umfassenden Transformation der Landwirtschaft. Private Landtitel, die als Sicherheit gegenüber Geldverleihern dienen können, erlauben es Bauern, für teure Pestizide, Saatgut und Düngemittel Schulden zu machen. Aber nur wenige bringen es so langfristig zum kommerziellen Farmer. Die meisten überschulden sich und verlieren ihr Land.
Die Weltbank fördert und bewirbt bis heute auch den gescheiterten Ansatz einer marktgestützten Landreform. Danach soll ein Staat, der eine ungerechte Landverteilung ändern will, nur Hilfe anbieten, wenn Großgrundbesitzer freiwillig Boden verkaufen und die Käufer einwilligen, den Preis zu zahlen. Dieses Prinzip „willing seller, willing buyer“ untergräbt Ansätze staatlicher Landreformen inklusive Umverteilung von Land – beispielsweise in Südafrika und Brasilien. Dass die Weltbank seit den 1990er Jahren auch Inselprojekte zu gemeinschaftlichen Nutzungsrechten hat und ihr Vokabular jetzt gefälliger ist, kann über die Gesamtausrichtung nicht hinwegtäuschen.
Die Weltbank ist wohl nicht willens, die Leitlinien verbindlich anzuerkennen
Große Infrastrukturprojekte, Mega-Staudämme (die bei der Weltbank gerade wieder in Mode kommen), Sonderwirtschaftszonen – alle diese Bereiche gehören zum Kerngeschäft der Weltbankgruppe und haben große Auswirkungen auf Landnutzungsrechte, weil dafür große Flächen nötig sind. Oft führen solche Projekte zu Landkonflikten. Bei den meisten Beschwerden, die von Betroffenen bei der Weltbank eingehen, geht es um Landkonflikte. Daher ist schon skurril, dass die Bank bei der groß angelegten Revision der eigenen Umwelt- und Sozialstandards (Safeguard Policies) keine eigenen Standards zum Thema Land hinzufügen will. Und natürlich müsste sie die Leitlinien für den verantwortlichen Umgang mit Landrechten, die das UN-Komitee für Welternährungssicherheit 2012 ausgehandelt und einstimmig verabschiedet hat, als Grundlage eigener Standards nehmen. Aber es gibt keine Anzeichen, dass die Weltbank willens ist, die Leitlinien verbindlich anzuerkennen.
###Seite2###
Nur auf ihre Projekte zu schauen, ist jedoch ungenügend, will man die Politik der Weltbank im Landsektor verstehen. Bis heute ist sie ein einflussreicher, gar dominanter Akteur in der Landpolitik; sie setzt nationale und internationale Rahmenbedingungen (beispielsweise über Verfahren zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten), bestimmt Politikprozesse im Landsektor und prägt die Entwicklungshilfe einzelner Staaten dort. So hat beispielsweise ihre Förderpolitik im kambodschanischen Landsektor den Rahmen gesetzt für die bilaterale Geberpolitik Deutschlands und anderer.
Ein jüngeres Beispiel für den Versuch, globale Rahmenbedingungen für den Umgang mit Landrechten zu setzen, sind die in Hinterzimmern von Wirtschaftsexperten ausgekungelten „Prinzipien für verantwortliche Investitionen in Agrarland“ (Principles for Responsible Investment in Agriculture, PRAI). Sie waren als global anerkannte Antwort auf das Problem des Land Grabbing gedacht. Die PRAI folgen der Idee, großflächige Landnahmen als wichtige Entwicklungsoption zu etablieren, sofern dabei einige minimale Standards eingehalten werden. Menschenrechte gehören für die Weltbank nicht zu diesen Standards und werden in den PRAI nicht erwähnt. Auch wegen der scharfen Proteste aus der Zivilgesellschaft wurden diese Prinzipien nicht vom UN-Komitee für Welternährungssicherheit (CFS) angenommen. Trotzdem hat die Weltbank mit der Umsetzung der PRAI in einigen Pilotländern angefangen. Sie möchte sich halt nicht gerne etwas von einem Gremium wie dem CFS sagen lassen, das demokratischer und höher legitimiert ist, weil sich nichtstaatliche Organisationen beteiligen dürfen.
Ein bestimmter Index zeigt an, wie leicht Land verfügbar ist
Ein weiteres Beispiele ist der Benchmarking Business in Agriculture Index, der in der Weltbank zurzeit entwickelt wird. Er soll es Unternehmen erleichtern, Investitionen in Land und die Landwirtschaft zu tätigen, indem er die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im jeweiligen Land bewertet. Ein Indikator dafür wird anzeigen, wie leicht Land verfügbar ist und erworben werden kann. Vorlage ist der Doing Business Index der Weltbank, der Regierungen ermutigt, Reformen einseitig im Sinne internationaler Konzerne durchzuführen. Der Einfluss, den die Weltbank mit solchen Initiativen auf den Landsektor hat, kann kaum überschätzt werden.
Interessant ist auch ein Blick in den jüngsten Rundumschlag der Weltbank für die Landpolitik in Afrika. Ihr Bericht „Securing Africa’s Land for Shared Prosperity“ vom Sommer 2013 macht von Beginn an klar: „Der Schlüssel, um Land für Entwicklung zu nutzen: Mehr Reformen und Investitionen.“ Ohne Landtitel und Landbesitz gebe es keinen Wohlstand. Wie nachträglich angeklebt wirkt die einzige Stelle, an der auf die UN-Leitlinien zum Umgang mit Land verwiesen wird. Auch empfiehlt der Bericht weiter marktgestützte Landreformen – und auch das nur, wo Land „unproduktiv“ genutzt wird.
###Seite3###
Dabei fördert er auch Erstaunliches zu Tage. Im Zehn-Punkte-Plan für Afrika werden die Kosten unterschiedlicher Reformansätze aufgezählt: Effizienz und Transparenz im Landsektor und die Vergabe individueller Landtitel in Afrika, also die von der Weltbank priorisierten Themen, sind mit Abstand die teuersten Strategien. Günstiger wäre beispielsweise, den Umgang mit Landkonflikte durch den Ausbau geeigneter lokaler Institutionen zu verbessern.
Kleinbauern, Nomaden und Indigene sollten miteinbezogen werden
Wieso sollte überhaupt eine Bank eine zentrale Rolle in der globalen Landpolitik spielen? Warum sollten der Marktansatz und die Privatisierung von Land weiter Vorrang haben, wenn viele Betroffene sich klar dagegen aussprechen? Dass die Weltbank die Alternativvorschläge der Betroffenen komplett ignoriert, muss schon für sich als eine Verletzung der menschenrechtlichen Prinzipien von Partizipation und Nicht-Diskriminierung gelten.
Eine Bank darf keine bestimmende Rolle in der Landpolitik spielen. Es gibt heute weit bessere, weil legitimere Wege und Gremien, die sich mit Landpolitik befassen sollten. Ein Beispiel sind die von den UN-Leitlinien zu Land geforderten nationalen Runden Tische, an denen zusammen mit Kleinbauern, Nomaden und Indigenen diskutiert und festgelegt werden sollte, welche Landpolitik für das jeweilige Gebiet gefragt ist. Damit würde der Umgang mit Land vielfältiger, um interessante lokale Ansätze reicher und menschenrechtlich angemessener, statt dass Land wie bisher auf seinen Bezug zu Agrarinvestitionen und Produktivität reduziert wird.
Mit der Rolle von Entwicklungsbanken im „land grabbing“ befasst sich das Dossier zum „welt-sichten“-Heft 11/2013, das am 8. November erscheint.
Neuen Kommentar hinzufügen