„Genau das ist der Plan.“ So lautet die Antwort von Dirk Niebel in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ auf die Frage, ob er denn nach der Bundestagswahl Ende September Entwicklungsminister bleiben wolle. Allzu viel Jubel dürfte diese Ankündigung unter entwicklungspolitischen Fachleuten in Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nicht auslösen: Der FDP-Mann hat sich in den vergangenen vier Jahren nicht gerade eine Fangemeinde aufgebaut. Anders als seine Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul von der SPD: Auch die war nicht unumstritten und hat polarisiert. Aber sie hat sich in ihrer Amtszeit viel Respekt erworben, weil sie ihre Aufgaben mit Herzblut anging und den Eindruck vermittelte, sie wolle wirklich etwas bewegen. Nicht so Niebel.
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Dabei hat der frühere FDP-Generalsekretär die entwicklungspolitische Debatte in Deutschland in einem wichtigen Punkt vorangebracht: Er hat ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass Entwicklung mit Wirtschaft zu tun hat – mit Geldverdienen und nicht nur mit Geldausgeben. Niebels Zugehen auf deutsche Unternehmen und sein Bemühen, sie zu Investitionen in Entwicklungsländern zu bewegen, ist richtig. Ebenso richtig ist, dass er sich von Beginn an der in der entwicklungspolitischen Szene weit verbreiteten Ansicht verweigert hat, nach der möglichst viel Geld (zum Ausgeben) das wichtigste in der Entwicklungszusammenarbeit ist. Niebel hat erfreulich deutlich klargestellt, dass es ihm mehr darauf ankommt, was mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eigentlich gemacht wird. Hoffentlich behält ein möglicher Nachfolger oder eine mögliche Nachfolgerin diesen Kurs bei.
Aber schon das Thema Wirtschaftsförderung, das ihm so am Herzen liegt, macht zwei große Schwächen dieses Ministers sichtbar: Er spuckt gern große Töne, hinter denen oft gar nichts steckt. Und er hinterlässt immer wieder den Eindruck, dass ihn sein Amt nicht wirklich interessiert – beziehungsweise nur soweit, wie er es dazu nutzen kann, sich als Macher in Szene zu setzen. So hat sein wirtschaftsfreundlicher Kurs bislang nicht annähernd die Früchte getragen, die die Spitze des Entwicklungsministeriums (BMZ) verspricht. Deutsche Mittelständler machen sich nicht schon deshalb in Scharen nach Afrika auf, weil das BMZ ein paar neue Förderprogramme aufgelegt hat. Zugleich vertritt Niebel die Anliegen deutscher Unternehmer mit einer Hingabe, die man eigentlich vom Wirtschafts- und nicht vom Entwicklungsminister erwarten würde – zuletzt etwa als er die Menschenrechtsorganisation FIAN für ihre Kritik an einer umstrittenen Kaffeeplantage in Uganda rüffelte, an der der Hamburger Kaffeeproduzent Neumann beteiligt ist.
Kampagne à la Niebel: Wie eine fröhliche Dauerwerbesendung für ihn selbst
Für die Entwicklungspolitik vor seiner Zeit hat Niebel vor allem Hohn und Spott übrig: Sie sei aus der „Schlabberpulli-Ecke“ gekommen, Heidemarie Wieczorek-Zeul habe ein „Hirseschüssel-Ministerium“ geführt, das auf Zuwendung, nicht aber auf die Eigeninitiative der Partner gesetzt habe. Niebel wollte sich abgrenzen von der vermeintlich naiven Weltverbesserungspolitik seiner Vorgängerin. Allerdings wirkt seine eigene Kampagne für eine Mitmach-Entwicklungspolitik, an der sich doch bitte jeder irgendwie beteiligen möge, auch nicht gerade seriös: Sie erinnert eher an eine fröhliche Dauerwerbesendung für ihn selbst als an einen ernstzunehmenden Versuch, in der Gesellschaft ein Bewusstsein für globale Fragen zu schaffen. Zudem spiegelt sich darin das tiefe Misstrauen des Ministers gegenüber großen Teilen der entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft. Dabei ließe sich über die das gewünschte Engagement der Bürger und Bürgerinnen viel besser kanalisieren.
Anders als Heidemarie Wieczorek-Zeul interessieren Niebel die internationalen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht, unter denen Entwicklungszusammenarbeit stattfindet – und die ihre Erfolge immer wieder zunichtemachen. Abgesehen von einigen öffentlichkeitswirksamen Fototerminen mit Kabinettskollegen wie Außenminister Guido Westerwelle oder Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat Niebel sich nicht weiter für entwicklungsförderndes Regierungshandeln eingesetzt, schon gar nicht auf internationaler Ebene. Sogar Waffenlieferungen an autoritäre Staaten wie Saudi-Arabien erteilte er seinen Segen.
Während Wieczorek-Zeul mit ihrer Idee von einer „globalen Strukturpolitik“ Gefahr lief, das Ressort zu überfordern, hat Niebel das Gegenteil erreicht: Mit seinem zu Amtsbeginn formulierten Anspruch, er wolle keine Nebenaußenpolitik betreiben, hat er die Entwicklungszusammenarbeit wieder in ihre unpolitische Nische zurückgeführt. Sein Haus ist heute viel mehr „Hirseschüssel-Ministerium“, als ihm lieb sein dürfte.
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