Österreichs Parlamentarier fallen um

Im vergangenen November hatte das Parlament einen Antrag verabschiedet, der eine Aufstockung der Entwicklungshilfe empfahl. Doch Ende Mai stimmten die Regierungsparteien geschlossen für weitere Kürzungen.

Kurzlebig ist das Wort von Nationalratsabgeordneten in Österreich. Noch im vergangenen November hatte das Parlament einen von allen fünf Parteien getragenen Entschließungsantrag verabschiedet, der eine Aufstockung der zuletzt schrittweise gekürzten bilateralen Entwicklungshilfe empfahl. Vertreter verschiedener österreichische Hilfswerke hatten im Rahmen der Kampagne „Mir wurscht!“ persönliche Gespräche mit 117 der 183 Abgeordneten geführt. 106, also eine absolute Mehrheit, war dabei für mehr Hilfe eingetreten. Darunter auch die Fraktionschefs der Koalition, Josef Cap (SPÖ) und Karlheinz Kopf (ÖVP). Ende Mai stimmten aber die Regierungsparteien geschlossen für das Budgetrahmengesetz, das weitere Kürzungen festschreibt. Statt 100 Millionen Euro, wie noch 2010, sollen 2014 nur noch 53 Millionen an bilateraler Hilfe fließen.

Einige Abgeordnete drehten sich bei der Abstimmung um

Viele Abgeordnete hätten „gegen ihre Überzeugung gestimmt“, sagt Christoph Schweifer, der Caritas-Generalsekretär für Internationale Programme. Manche von ihnen machten das auch deutlich, indem sie sich bei der Abstimmung umdrehten. Unter ihnen war Petra Bayr, die entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ, die in der Debatte Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) vorwarf, er habe sich immer gegen die von der SPÖ vorgeschlagene Mittelerhöhung gewandt. Bayr wies darauf hin, dass das Außenministerium Rücklagen von 117 Millionen Euro angehäuft habe, aber bei den Ärmsten der Welt knausere.

Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), unter deren Verantwortung das Budget erstellt wurde, wies die Vorwürfe als „Entgleisung“ zurück. Österreich leiste viel Entwicklungshilfe über multilaterale Organisationen: „Diese Entwicklungsinstitutionen, diese internationalen Banken haben auch die Kontrollmechanismen dazu, dass man sieht, was mit dem Geld passiert.“ Das sei bei den österreichischen nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen anders: „Die reine Vereinsförderung hier in Österreich ist nicht ausreichend, um zu kontrollieren, wo das Geld denn hinfließt.“

Gottfried Mernyi, Geschäftsführer der Kindernothilfe, überrascht das Abstimmungsergebnis nicht, er wundert sich aber über die Heftigkeit, mit der die Finanzministerin während der Debatte auftrat. Rupert Roniger, Geschäftsführer von Licht für die Welt, will deren Kritik nicht so stehen lassen: „Fadenscheinige Ausreden helfen den Menschen in den Entwicklungsländern nicht.“ Er lade „die Frau Finanzministerin ein, sich selbst ein Bild von der Wirksamkeit der österreichischen Entwicklungshilfe zu machen“.

Das neue Finanzrahmengesetz gilt bis 2017. Es zementiert Österreichs Rolle als eines der Schlusslichter in Europa, was die Höhe der Entwicklungshilfe betrifft. Gemessen an der Wirtschaftsleistung zeigten sich nur die Krisenländer  Portugal, Island, Spanien, Italien und Griechenland noch weniger großzügig.

Das peinliche Schauspiel im Nationalrat zeigt, wie schwach der Gesetzgeber gegenüber der Regierung ist. Die Abgeordneten der Koalition dienen als Abstimmungsmaschine. Dafür sorgen der Klubzwang, der das einheitliche Abstimmen der Fraktionen sicherstellt, und die Koalitionsdisziplin, die es verbietet, den eigenen Regierungspartner zu überstimmen. ÖVP-Fraktionschef Karlheinz Kopf vertrat zwei Meinungen: eine als Abgeordneter, eine andere als Befehlsempfänger von Parteichef und Außenminister Spindelegger. Und der hat, wie Petra Bayr feststellte, noch weniger Interesse für Entwicklung als alle seine Vorgänger.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2013: Neues Wissen im Blick
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