Am Beginn der Weltklimakonferenz in Cancún ist schon klar, dass auch dort keine globalen Obergrenzen für Treibhausgas-Emissionen beschlossen werden. Die USA können nicht einmal garantieren, dass sie zu den von Obama verkündeten Zielen stehen, weil der seine Mehrheit im Kongress verloren hat. Schwellenländer wie China, Indien und Südafrika werden da erst recht die Forderung der USA nach bindenden Grenzen für ihre Emissionen zurückweisen – auch wenn viele heute ernsthaft Klimaschutz betreiben. Und neue Minderungspflichten nur für die Industrieländer nach dem Muster des 2012 auslaufenden Kioto-Abkommens lehnt etwa Japan ab, so lange sich die USA nicht beteiligen.
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Mahner wie der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen oder Germanwatch empfehlen daher ein Vorgehen auf drei Ebenen. Einzelne Staaten und Regionen, insbesondere Europa, sollten erstens den ökologischen Umbau ihrer Wirtschaften einseitig vorantreiben. Zweitens sollten sie Vorreiterkoalitionen mit Schwellen- und Entwicklungsländern bilden. Die könnten drittens in den globalen Verhandlungen Instrumente etwa für Waldschutz, Technologietransfer in Entwicklungsländer oder die Finanzierung des Klimaschutzes durchsetzen, die man benötigt, sobald die Zeit für strenge globale Emissionsgrenzen reif ist. Das könnte funktionieren – vorausgesetzt, die Europäische Union ringt sich bald zu einer einseitigen Emissionsminderung um 30 Prozent durch und die versprochene Klima-Hilfe für arme Länder wird tatsächlich bereitgestellt, was neue Finanzierungsinstrumente wie internationale Steuern erfordert.
Doch warum sollten Staaten morgen Emissionsgrenzen akzeptieren, die sie heute ablehnen? Weil, so hofft man, Klimaschutz zum Wachstumsmarkt wird und den Vorreitern so große wirtschaftliche Vorteile bringt, dass die übrigen folgen müssen. Das ist durchaus möglich. Dafür zu werben, dass in den ökologischen Umbau investiertes Kapital sich gut rentieren und die nationale Wettbewerbsposition stärken wird, ist aber sehr zweischneidig. Erstens hat ein schneller ökologischer Umbau rasch ökonomische Vorteile in Ländern wie Deutschland oder China, aber nicht zum Beispiel im kohleabhängigen Polen oder Südafrika. Ob die Vorreiter den Nachzüglern großzügig helfen oder den Standortwettbewerb mit grünen Mitteln fortsetzen und so den Verlierern Klimaschutz noch erschweren, ist sehr fraglich. Zweitens sollte man nicht der Illusion Vorschub leisten, man müsse nur Solarstrom, Biotreibstoff und Elektroautos einführen und die Effizienz steigern, um weiter wie bisher wachsen zu können. Es geht darum, in kaum einem halben Menschenleben fossile Brennstoffe praktisch abzulösen, den Rohstoffverbrauch drastisch zu senken und dabei armen Ländern Raum zur Entwicklung zu lassen. Ohne Struktur- und Verhaltensänderungen wie Zurück- drängen des motorisierten Privatverkehrs und weniger Fleischkonsum wird das nicht gehen.
Das ist in zwei Studien zum Zukunftsfähigen Deutschland vor Jahren durchbuchstabiert worden. Die Vision wird in vielen Kirchen und Hilfswerken unter dem Stichwort Klimagerechtigkeit debattiert – die Konsultation europäischer Kirchen in Budapest hat etwa im November verlangt, erneuerbare Energien mit einer Ökonomie des Genug und dem Recht armer Länder auf Entwicklung zu verbinden. Leider ist schwer zu erkennen, wer diesen Teil des Umbaus in Gang bringen kann. Wer von Profiten aus dem Klimaschutz spricht, findet einflussreiche Verbündete. Demonstrationen oder Petitionen, die eine Klimapolitik mit allen Konsequenzen fordern – etwa höhere Energie-, Flug- und Nahrungsmittelpreise samt sozialem Ausgleich –, sind dagegen Mangelware. Der Aufbruch ins Unbekannte hat selten eine Lobby.
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