Bilder einer Emanzipation

Osvalde Lewat: Ante Mortem. InterKontinental Verlag 2024, 296 Seiten, 26 Euro

Die kamerunische Autorin Osvalde Lewat zeichnet in ihrem Roman ein facettenreiches Sittengemälde des fiktiven afrikanischen Landes Zambuena, in dem Frauen unterdrückt und homosexuelle Menschen kriminalisiert werden.

Protagonistin des Romans ist Katmé Abbia, die Frau des höchsten Verwaltungsbeamten der Hauptstadt von Zambuena. Sie befreit sich nach und nach aus ihrer traditionellen Ehe. Dieser Befreiungsgeschichte stellt die Autorin einen Prolog voran, in dem sie schildert, wie Katmé als dreizehnjähriges Mädchen die Beerdigung ihrer Mutter Madelaine erlebt. Diese wird als unverheiratete Mutter nach ihrem Unfalltod in einem viel zu kleinen Grab beigesetzt, Katmé und ihre Schwester wachsen anschließend bei der tief religiösen Tante auf. 

Das eigentliche Romangeschehen setzt 20 Jahre später ein und wird im ersten Teil aus der Ich-Perspektive von Katmé erzählt. Die Protagonistin ist mit dem ehrgeizigen Hauptstadtpräfekten Tashun Abbia verheiratet, hat mit ihm zwei Töchter und spielt ihre Rolle der gehorsamen Gattin. Ihr Vertrauter ist allerdings seit ihrer Schulzeit der homosexuelle Künstler Samuel Pankeu, mit dem sie eine tiefe und langjährige Freundschaft verbindet.

In Zambuena gilt Homosexualität als Sünde und verheiratet zu sein und zu bleiben als Heldentat. Von diesen gesellschaftlichen Normen löst sich Katmé im Laufe des Geschehens, das in folgenden Romanteilen aus Sicht einer dritten Person geschildert wird. Das Grab ihrer Mutter soll einem Autobahnbau weichen und Tashun will die Beerdigungszeremonien an der neuen Ruhestätte für seine politische Karriere nutzen, denn er kandidiert für den Gouverneursposten. Eine Konkurrentin versucht, ihn wegen der Verbindung seiner Frau zu Samuel zu diskreditieren, und lanciert einen Zeitungsartikel, in dem der Künstler als homosexuell bezeichnet wird. Samuel kommt ins Gefängnis und Katmé setzt alle Hebel in Bewegung, um ihn freizubekommen. 

Katmés kümmert sich um die Lebenden

Der diskreditierende Artikel steht im Zusammenhang mit Samuels Ausstellung „Ante Mortem“, „Vor dem Tod“. Diese Ausstellung, die der deutschen Übersetzung des Romans den Titel gibt, reflektiert auch Katmés Entscheidung, „sich um die Lebenden zu kümmern“: Zunächst kämpft sie für Samuel und ihre Töchter, dann engagiert sie sich politisch für die Emanzipation der Frauen und die Rechte homosexueller Menschen. Sie trennt sich von ihrem Mann, will wieder wie vor ihrer Ehe als Lehrerin arbeiten und den Fall Samuel Pankeu neu aufrollen. 

Nach seiner Haftentlassung wird Samuel brutal angegriffen, das wird in seiner vollen Grausamkeit geschildert. Die Täter, Jugendliche und ihre Eltern aus dem Viertel, die ihre Gewaltexzesse mit dem „Schutz der öffentlichen Gesundheit“ begründen, bleiben straffrei. 

Die bildgewaltige Sprache und die sozialkritischen Töne in Osvalde Lewats Debütroman, der in Frankreich 2021 unter dem Titel „Les Aquatiques“ erschienen ist, erinnern an ihr bisheriges Schaffen als preisgekrönte Kunstfotografin und Dokumentarfilmerin. Sie hat Anfang des Jahrtausends einige Jahre als Journalistin in Kamerun gearbeitet und lebt heute in Paris. 

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