In dem Buch vergleicht ein internationales Wissenschaftler-Trio den Einfluss wirtschaftlicher Eliten auf die Staaten der Zentralanden seit der Mitte 20. Jahrhunderts.
Der Politikwissenschaftler John Crabtree, der Soziologe Francisco Durand und der Transformationsforscher Jonas Wolff zeichnen im Kern drei Epochen des politischen Einflusses wirtschaftlicher Eliten nach: Zunächst in den Jahrzehnten der Importsubstitution und staatszentrierten Entwicklung, dann in der Ära des Neoliberalismus und schließlich gegenüber der „rosaroten Welle“ linkspopulistischer Regierungen.
Die Autoren stellen den Teilanalysen zu den einzelnen Perioden und Ländern jeweils einen regionalen Überblick voran. Mit den Vergleichen identifizieren sie neben Unterschieden zwischen Bolivien, Ecuador und Peru auch übergreifende Mechanismen. Analytisch unterscheiden sie die „strukturelle Macht“ der Unternehmerschaft anhand von Investitionsentscheidungen von der „instrumentellen Macht“ – hier geht es um Wege zur Beeinflussung der Regierung über Gremien oder eigenes Personal im Regierungsapparat. Dies ist im Falle Perus besonders ausgeprägt.
Als dritten Weg der Machtausübung untersuchen sie den Einfluss wirtschaftlicher Eliten auf die öffentliche Meinung. Dabei zeigt sich, dass Unternehmermacht nur im Verhältnis zum Einfluss anderer Akteure, wie der sozialen Organisationen und vor allem des Staatsapparates, zu sehen und zu beurteilen ist.
Trotz mancher Lücken ein guter Gesamtblick
Beim Versuch, einen regionalen Überblick herzustellen, ersetzen die Autoren die komplexere Wirklichkeit jedoch bisweilen durch Stereotypen. So etwa, wenn sie behaupten, dass indigene oder kleinbäuerliche Organisationen erst in den 1960er oder 1970er Jahren die politische Bühne betreten hätten – als hätte es in Bolivien die nationale Revolution mit den vorangegangen indigenen Aufständen und die politisch sehr aktiven indigenen Verbände im Peru der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht gegeben. Oder wenn sie allein erwähnen, dass nach dem Ende der Militärdiktaturen in Bolivien das Unternehmertum gegen die linke UDP-Regierung mobilisiert hätte, und angesichts des wirtschaftlichen Desasters nicht auch der Gewerkschaftsdachverband.
Das Verständnis von Unternehmerschaft ist etwas eingeschränkt; so werden neue Gruppen wie die Narco- und die Goldmafia oder die neue Handelsbourgeoisie mit indigenen Wurzeln nicht berücksichtigt. Sie sind zwar im informellen Sektor wohlhabend geworden, aber viele haben die Gewinne bereits im formellen Sektor investiert, etwa im Bau- und Bankenwesen und in Medien. Zudem nutzen Mitglieder des Regierungsapparats staatliche Ressourcen, um sich als Unternehmer zu etablieren. Dieser Wandel ist für den Einfluss auf den Staat höchst relevant, bleibt aber im Buch weitgehend ausgespart. Für die jüngere Geschichte wäre zumindest im Falle Boliviens eine stärkere empirische Vorgehensweise wünschenswert gewesen, statt sich vor allem auf politische Essays zu stützen. Insgesamt gelingt den Autoren jedoch ein durch eine klare Strukturierung erhellender wirtschaftspolitischer Gesamtblick über die Epochen hinweg.
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