Der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Kessler zeigt anhand anschaulicher Beispiele, wie eine zukunftsfähige Wirtschaft aussehen kann. Statt Alarmismus bietet er dabei Alternativen, die Mut machen.
Wolfgang Kessler rüttelt in seinem Buch zunächst an den Denkgebäuden der gängigen Wirtschaftspolitik, wonach der Markt alles regelt, Wirtschaftswachstum sein muss und Globalisierung ein Segen ist. Stattdessen denkt er Wohlstand neu: Was brauchen wir für ein gutes Leben, welche Produkte brauchen wir nicht? Dazu entwickelt er in zehn Kapiteln aus der aktuellen Fachdiskussion heraus fundierte Lösungsvorschläge.
So blickt er differenziert auf die Diskussion um grünes Wachstum oder Postwachstum und fragt danach, was denn genau wachsen und was schrumpfen soll. Wachsen sollen zum Beispiel klimaverträgliche Energiesysteme und soziale Dienstleistungen, schrumpfen sollen der private Autoverkehr und spekulative Finanzgeschäfte. Zielvorgaben, Anreize und auch Verbote lenken dabei in die richtige Richtung: Österreich etwa untersagt kurze Inlandsflüge. Schweden senkt für Reparaturen den Mehrwertsteuersatz. In den Niederlanden werden 30 Prozent aller Produkte recycelt, in Deutschland nur 13 Prozent.
Weil der Weg in eine nachhaltige Zukunft eine radikale Einsparung von Energie und Rohstoffen erfordert, dämpft Kessler auch den Hype um die Digitalisierung. Denn gerade sie benötigt viele seltene Rohstoffe und verschlingt viel Energie. Das Internet landet auf Platz sechs der Staaten mit dem höchsten Stromverbrauch. Es braucht wirksame gesetzliche Regelungen für Energieverbrauch, Datenschutz und Transparenz, gegen Hasstexte und diskriminierende Werbung.
Regionale Lebensmittel, lokale Märkte, globales Grundeinkommen
Nachhaltige Lieferketten, die Förderung lokaler Märkte und ein globales Grundeinkommen würden, wie Kessler ausführt, das Leben vieler Menschen verbessern. Uganda hat sich vom Konzept der grünen Revolution verabschiedet, das auf industrielle und exportorientierte Landwirtschaft setzt. Durch den Widerstand der Kleinbauernbewegung hat Uganda wieder den Anbau regionaler Lebensmittel gefördert und ist so gut durch die Nahrungsmittelkrise gekommen. In 124 Dörfern in Kenia erhalten Menschen in einem Feldversuch über die amerikanische Hilfsorganisation Give Directly ein Grundeinkommen aufs Handy. Das stärkt lokale Entwicklungen. In diese Richtung geht ein Vorschlag von UNO-Generalsekretär Guterres. Die Industrieländer könnten armen Ländern einen Teil ihrer Auslandsschulden erlassen, wenn diese die eingesparten Rückzahlungsraten als Grundeinkommen an ihre Bürgerinnen und Bürger auszahlen.
Zentral ist für Kessler die Gerechtigkeitsfrage. So würde die Wiedereinführung eines Solidaritätszuschlags die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland entsprechend ihrem Einkommen an den Kosten der Veränderungsprozesse beteiligen. Eine höhere CO2-Abgabe könnte durch einen Öko-Bonus sozial ausgeglichen werden. Die Schweiz macht vor, wie das gehen kann. Und wie alt werden ohne Zukunftsangst geht, das zeigt Österreich mit deutlich höheren Ren-ten. Dies wird durch etwas höhere Beiträge, aber vor allem dadurch erreicht, dass alle Berusgruppen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und das gesamte zu versteuernde Einkommen einbezogen wird.
Als Wirtschaftspublizist erklärt Kessler auch komplexe Zusammenhänge verständlich, wichtige wirtschaftspolitische Daten und Fakten baut er wohl dosiert ein. Sein Buch hebt sich wohltuend von all den Stimmen ab, die Wohlstandsverluste beklagen und vor Abstieg warnen. Er zeigt: Eine nachhaltige und faire Welt ist möglich und machbar. Wenn wir die Mehrkosten dafür gerecht teilen, werden die Menschen mitziehen.
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