Sensibles Plädoyer für Emanzipation

Before, Now & Then. Indonesien 2022, Regie: Kamila Andini,103 Minuten. Kinostart: 29. 6. 2023. Verleih: Cinejoy Movies

Das Melodram der indonesischen Regisseurin Kamila Andini erzählt in elegischen Bildfolgen von Nana, die in den 1960er Jahren als Frau eines wohlhabenden Landbesitzers ein komfortables Leben führt, aber noch immer von ihrem ersten Mann träumt, der 15 Jahre zuvor in den Kriegswirren verschollen ist.

In den Wirren des Unabhängigkeitskrieges gegen die niederländische Kolonialmacht flieht die junge Indonesierin Nana in Westjava mit ihrem Baby und ihrer Schwester Ningsih in den Urwald. Dort erfährt sie, dass ihr Vater auf dem Weg zur Moschee von Rebellen hingerichtet wurde. Im Urwald sieht sie schemenhaft das Bild ihres Mannes, der spurlos verschwunden ist. 15 Jahre später lebt Nana im großen Anwesen des deutlich älteren Sundanesen Darga, den sie nach der Flucht geheiratet hat und mit dem sie vier Kinder hat. Mehrere Bedienstete kümmern sich um den Haushalt, während Nana erfolgreich die Gemüseplantage ihres Mannes managt. 

Eine besonders enge Bindung hat sie zu ihrer Tochter Dais, mit der sie das Schlafzimmer teilt. Befreit von materiellen Sorgen könnte Nana glücklich sein, doch in Albträumen taucht oft ihr verschollener Mann auf. Als sie entdeckt, dass Darga eine Affäre mit der attraktiven Fleischerin Ino hat, nimmt sie das schweigend hin. Doch dann fassen die Frauen Vertrauen zueinander, Ino zieht sogar ins Haus ein. Und die Geliebte weist Nana den Weg in die Freiheit, als diese überraschend ihrem ersten Mann begegnet. Jahre später treffen sich Nana und ihre nun erwachsene Tochter Dais, die Erde von ihrem alten Zuhause mitgebracht hat. 

Die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen manchmal

Der vierte Spielfilm der 1986 in Jakarta geborenen Regisseurin und Drehbuchautorin Kamila Andini beruht auf einem Kapitel des Romans „Jais Darga Namaku“ des indonesischen Schriftstellers Ahda Imran, dem eine reale Lebensgeschichte zu Grunde liegt. Wie der Titel signalisiert, spielt der Film auf drei Zeitebenen. Den größten Umfang nimmt die mittlere Ebene ein, die im Jahr 1966 angesiedelt ist, als General Suharto Präsident Sukarno entmachtete. Eingefasst ist der Hauptteil von der Exposition mit Nanas Flucht und dem kurzen Nachspiel mit dem Wiedersehen von Mutter und Tochter. Während der Ehe mit Darga, der Nana mit Geschenken überhäuft und liebevoll umsorgt, wird die traumatisierte Frau von Erinnerungen, Träumen und Visionen geplagt, bei denen gelegentlich die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen. Etwa wenn Nana eines Nachts sieht, wie eine Kuh durch das Haus trottet. 

Andini erzählt konsequent aus dem Blickwinkel der zurückhaltenden Nana, die selbst bei Sticheleien anderer Frauen stets die Contenance wahrt. Happy Salma spielt diese geheimnisvolle Frau, die so wenige Gefühle offenbart, mit einer faszinierenden Grazie und Bedachtsamkeit. Der Erzählrhythmus ist langsam und fordert den Zuschauenden immer wieder Geduld ab. Denn die Kamera schwelgt in den opulenten Kulissen des Gutshauses und beobachtet ausgiebig die Auftritte von Musikern und Tänzern, die zu traditionellen indonesischen Melodien eine wehmütige Atmosphäre schaffen. 

Die elegische Inszenierung ist durchzogen von einer Vielzahl musikalischer Untermalungen, die von üppigen Streicherflächen bis zu flotten einheimischen Popsongs reichen und zuweilen sehr sentimental daherkommen. Die politischen Hintergründe wie die blutigen Kämpfe mit der Kolonialmacht und die antikommunistische Repression unter Suharto werden leider nur knapp angerissen  – mehr ließ vermutlich die Zensur nicht zu. Ein westliches Publikum ohne Vorwissen zur Landesgeschichte wird sich mit dem Verständnis einzelner Szenen schwertun. Umso klarer fällt Andinis sensibles Plädoyer gegen patriarchalischen Machtmissbrauch und für Emanzipation und Frauensolidarität aus.  

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