Der BBC-Journalist Dan Saladino bereist seit Jahren die Welt, um über die Ursprünge menschlicher Nahrung und verschiedenster Esskulturen zu berichten. Sein Buch ist eine Hommage an gefährdete Nahrungsmittel und regionale Vielfalt statt globaler Uniformität.
Der globalisierte Nahrungsmittelmarkt bringt uns täglich Avocados, Kaffee oder Lachs auf den Tisch, auch die Auswahl von Restaurants aus den verschiedensten Weltregionen steigt. Ernähren wir uns also vielfältiger, gesünder und abwechslungsreicher als je zuvor? Nein, zeigt Dan Saladino, im Gegenteil. Die Globalisierung vereinheitlicht unsere Ernährung und bedroht das Überleben auf unserem Planeten. Von etwa 6000 verschiedenen Pflanzen, die der Mensch einst verzehrte, sind heute nur noch neun wichtige Grundnahrungsmittel geblieben. Allein drei von ihnen – Reis, Weizen und Mais – liefern mehr als die Hälfte aller Kalorien. Und innerhalb der einzelnen Arten beherrschen nur wenige Sorten die weltweite Nahrungsmittelproduktion. Das gilt für weißfleischige Kartoffeln ebenso wie für Holsteiner Milchkühe oder Pazifische Austern. Alte Sorten und Landrassen gehen verloren und mit ihnen kulturelle Identitäten, kulinarisches Wissen und der Genpool für zukünftige klimaresistente Nahrungsmittel.
Dabei gelte es, die Alb-Linse in der Schwäbischen Alb ebenso zu schützen wie die Oca-Knollen im peruanischen Altiplano oder Olotón-Mais im mexikanischen Oaxaca. Inspiriert von der Slow-Food-Bewegung und ihrem Projekt „Arche des Geschmacks“, besucht der Autor 34 Weltregionen, in denen vom Aussterben bedrohte Lebensmittel produziert werden. Jedem Produkt widmet er ein eigenes Kapitel, das auf atemberaubende Weise erklärt, warum das jeweilige Produkt sowie die biologische Vielfalt des Planeten unbedingt zu schützen ist.
Abenteuerreise zu gefährdetsten Lebensmitteln der Welt
Bei den Hadza-Nomaden in der tansanischen Savanne begleitet Saladino Honigsammler, die mit Vögeln kommunizieren, um die besten Waben in mächtigen Baobab-Bäumen zu finden. Die Beute teilen sich Mensch und Vogel seit Jahrtausenden. In den abgelegenen Bergen der Ost-Türkei probiert der Autor Kavilca-Weizen, einen uralten Emmer (auch Zweikorn genannt), von dem alle anderen Weizensorten abstammen. Auf den Färöer-Inseln lässt er sich die Kunst der traditionellen Schaffleisch-Konservierung erklären. Und in der Heimat seiner sizilianischen Vorfahren findet er saftige, sonnengereifte Orangen, die noch nicht von den hochgezüchteten Sorten Valencia oder Navel verdrängt worden sind. Sie wachsen ausgerechnet auf den beschlagnahmten Feldern der Mafia in gemeinnütziger Landwirtschaft.
„Eating to Extinction“ ist eine Abenteuerreise zu den gefährdetsten Lebensmitteln der Welt und Menschen, die sie beschützen. Saladino besucht Pioniere unter Landwirten und Wissenschaftlerinnen, Saatguthüterinnen und ehemalige Sterneköche wie Karlos Baca, der zu seinen indigenen Wurzeln in Colorado zurückkehrt, um die Ernährung der Ureinwohner zu dekolonisieren und Rezepte wiederzubeleben. Diese Begegnungen stärken Saladinos Hoffnung, dass die Menschheit doch lernfähig ist. Zur Überfischung der Meere schreibt er: „Die Wissenschaft existiert. Alles, was wir brauchen, ist der politische Wille.“ Denn in Meeresschutzgebieten steigt die Artenvielfalt der Ozeane. Saatgutbanken sammeln Hunderttausende alte Sorten. Selbst Lebensmittelgigant Danone fordert mehr Diversifizierung. So liest sich „Eating to Extinction“ spannend wie ein Krimi – mit Potenzial auf ein Happy End, wenn wir alle bewusster mit unseren Lebensmitteln und Ernährungssystemen umgehen.
Neuen Kommentar hinzufügen