Fantastischer Realismus?

Abdelaziz Baraka Sakin: Der Messias von Darfur. Edition Orient, Berlin, 168 Seiten, 19,90 Euro

In seinem Roman reiht Abdelaziz Baraka Sakin zunächst surrealistisch und unzusammenhängend erscheinende Kriegsepisoden aneinander, die sich nach und nach zu einem schaurigen Ganzen zusammenfügen. 

Der sudanesische Schriftsteller Abdelaziz Baraka Sakin war von 2000 bis 2009 für verschiedene Hilfsorganisationen in seinem Heimatland Sudan tätig, zuletzt in Flüchtlingslagern in der Provinz Darfur. Was er dort erlebt hat, bildet den Hintergrund für seinen Roman. Zeit und Ort spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Die Handlung könnte überall spielen, wo Bürgerkriege und politische Auseinandersetzungen das Leben der Menschen zur Hölle machen. Wie viele andere kritische afrikanische Autoren musste auch Sakin 2009 emigrieren. Heute lebt er in Europa.

Seine Schilderungen der seit Jahren tobenden kriegerischen Auseinandersetzungen im Sudan, bei denen ausnahmslos alle Kriegsparteien Gräueltaten begehen, gehen unter die Haut: Plünderung und Brandschatzung, Massenmord, Verstümmelungen und Vergewaltigungen, Vertreibung und Flucht, Entwurzelung und Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten, all das hat eine Gewaltspirale hervorgebracht, die die Kämpfer jedweder moralischer Maßstäbe beraubt und die leidende Bevölkerung demoralisiert hat. Bürgerkrieg und Terror haben dafür gesorgt, dass sie dauerhaft in Unsicherheit und Todesangst lebt.  

Wanderprediger und Wunderheiler

In einem weiteren Erzählstrang erscheint der „Messias von Darfur“, ein Wanderprediger und Wunderheiler. Der Messias oder Mahdi ist im Islam der letzte von Allah auserwählte Führer der Gläubigen, der das Unrecht auf der Welt beseitigen wird. Sakins charismatischer Wunderheiler bezeichnet sich selbst als Issa, Sohn der Mariam, also Jesus. Er predigt mit wolkigen Formulierungen Frieden. Dennoch ­ oder gerade deshalb? wird er von der Regierung nervös beäugt. Er wird gejagt und soll gekreuzigt werden, zumal die Zahl seiner Anhänger stetig wächst. 

Während also im Kriegsgebiet Chaos und Hoffnungslosigkeit herrschen, sammeln sich die Anhänger des selbst ernannten Messias im Verlauf des Romans zu einer gewaltigen Prozession, die in einem kollektiven Traum ins Himmelreich entschwebt. 

Ob der Autor mit diesem unerwarteten Schluss Trost spenden oder nur den Kriegsparteien sowie dem Eskapismus seiner Landsleute eine Lehre erteilen will, ob der Messias Retter oder Verführer ist, das möge jeder Leser des Buches selbst entscheiden.

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