Die Corona-Pandemie verschärft die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in Nord und Süd. Die Politikerin und Juristin Christa Randzio-Plath zeigt, dass viele globale Probleme nur gelöst werden können, wenn die Geschlechtergerechtigkeit endlich umgesetzt wird.
Obwohl die Verfassungen fast aller Staaten der Welt Gleichstellungsbestimmungen enthalten, behindern Genderstereotype und strukturelle Diskriminierung weltweit noch immer Geschlechtergerechtigkeit, konstatiert Christa Randzio-Plath zu Beginn ihres Buches. Dann beleuchtet sie, wie sich die Lage der Frauen seit der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 entwickelt hat.
Entgegen der UN-Frauenrechtskonvention von 1981, die jegliche Diskriminierung der Frau als Menschenrechtsverletzung verurteilt, gebe es nach wie vor schwerwiegende Diskriminierung. Geschlechterstereotype stempelten Frauen als minderwertig ab. Sie seien verantwortlich für Lohn- und Rentenlücken, geschlechtsspezifische Berufswahl, Armut besonders unter Frauen und jegliche Form von Gewalt. So führe die Wahrnehmung von Frauen als sexuelles Eigentum von Männern dazu, dass beispielsweise Vergewaltigung in der Ehe vielerorts straffrei bleibe. In einigen Ländern – leider nennt die Autorin keine Beispiele – erlitten bis zu 70 Prozent aller Frauen mindestens einmal im Leben physische oder sexuelle Gewalt, so Randzio-Plath.
In der globalisierten Wirtschaft leisteten Frauen nach wie vor zwei Drittel der Weltarbeitsstunden – zumeist mit prekärer und informeller Beschäftigung – und verdienten nur zehn Prozent des aus gezahlten Steuern berechneten Welteinkommens. 70 Prozent der in Armut lebenden Menschen sind Frauen. Weltweit sind nur zehn Prozent der Regierungsoberhäupter weiblich und nur 25 Prozent der Abgeordneten. Enttäuschend sei auch, dass sich selbst eine bessere Bildung der Frauen nicht günstig auf Geschlechtervorurteile und Geschlechtergleichstellung in der Arbeitswelt und der Gesellschaft auswirke, betont die Autorin. Denn im Bildungsbereich seien, ebenso wie in der Gesundheitsversorgung, durchaus Fortschritte zu begrüßen.
Die Empirie zeigt, dass dort, wo Frauen mehr Macht haben, mehr für die Daseinsvorsorge getan wird. Bildung und Gesundheit verbesserten sich dort genauso wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie Randzio-Plath belegt. So gebe es in indischen Gemeinden, in denen Frauen das Sagen hätten, 20 Prozent mehr Trinkwasserprojekte. Die Covid-19-Pandemie hätten Länder mit Regierungschefinnen bisher am besten überstanden. Außerdem stimmten Politikerinnen bei Konflikten eher als ihre männlichen Kollegen gegen den Einsatz von Gewalt.
Randzio-Plath schreibt engagiert, faktenreich und gut lesbar. Lediglich einige Dubletten irritieren. Auch wenn die Autorin viele Informationen nicht belegt, sondern am Ende Lesetipps gibt, bietet das Buch eine erkenntnisreiche Lektüre. Zugleich plädiert es für eine gerechtere Wirtschaftspolitik und eine zukunftsfestere Weltgesellschaft.
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