Die Zentrale sagt, wie es geht

Rebecca Warne Peters: Implementing Inequality. The Invisible Labor of International Development.Rutgers University Press, New Brunswick 2020. 200 Seiten, 25 Euro
In ihrer groß angelegten Feldstudie untersucht die Anthropologin Rebecca Warne Peters, welche Machtverhältnisse in großen Entwicklungsorganisationen wirken. Ihr Buch ist auch über den Einzelfall hinaus lesenswert.  

Niedrigere Löhne für lokale Mitarbeiter, Sexismus und Rassismus in den eigenen Reihen: Entwicklungsorganisationen sind nicht frei von Machtverhältnissen, die sie eigentlich abschaffen wollen. Immer wieder kritisieren Fachleute und Mitarbeitende die Ungleichheit innerhalb von Hilfsorganisationen. Mit ihrer großangelegten Feldstudie zu einem Demokratisierungsprojekt in Angola liefert die Anthropologin Rebecca Warne Peters einen Beitrag zur Debatte. Dabei deckt sie vor allem die Machtverhältnisse zwischen Projektmitarbeitern und administrativen Angestellten auf.

Ein Jahr lang hat sie ein Demokratisierungsprogramm zur guten Regierungsführung in Angola begleitet. Das Projekt einer britischen, einer kanadischen sowie einer US-amerikanischen Organisation sollte die demokratische Teilhabe von Gemeinschaften stärken und das Handeln von Behörden transparenter machen. Durch Interviews mit Mitarbeitenden und der Beobachtung von Sitzungen sowie der Arbeit im Feld gibt Warne Peters einen Einblick in das Innenleben und die Dynamiken der namentlich nicht genannten Entwicklungsorganisationen. 

Dabei analysiert sie das Verhältnis innerhalb des von ihr so bezeichneten Implementariats – denen, die vor Ort für die Umsetzung des Projekts verantwortlich sind. Darunter fasst sie sowohl die für die Administration verantwortlichen Angestellten in der Hauptstadt Luanda als auch diejenigen, die das Projekt in den Gemeinden vorantreiben. Während die administrativen Aufgaben größtenteils von „Expats“, also internationalen Fachleuten, ausgeführt wurden, oblag die Umsetzung vor Ort überwiegend Angolanern. 

Ein Ziel des Projekts war die Gründung von Organisationen, die Anliegen von Dorfgemeinschaften an die Behörden herantragen sollten. Um das dazu notwendige Vertrauen aufzubauen, waren viele informelle Treffen und Gespräche nötig. Bei Workshops und Trainings etwa mussten die Autoritätspersonen aus der Gemeinschaft mitziehen. Die informelle Beziehungspflege im Vorfeld erkannten die administrativen Angestellten in Luanda allerdings nicht als Arbeit an, schreibt Warne Peters. 

Deshalb steckten die lokalen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oft in einem Zwiespalt: Entweder sie investierten viel Zeit in den Aufbau von Netzwerken mit der Gemeinschaft und riskierten Ärger mit ihren Vorgesetzten – oder sie versuchten sichtbare Events und Veranstaltungen zu organisieren, die von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Das führt die Autorin zu einem grundsätzlichen Punkt: Eigentlich sollte in der Entwicklungszusammenarbeit der Bedarf der Zielgruppe im Vordergrund stehen. De facto aber seien die Beziehungen innerhalb der Entwicklungsorganisation manchmal stärker bestimmend als die Gegebenheiten vor Ort. 

Auch den Mechanismen der Evaluierung von Erfolg und Misserfolg geht die Autorin nach. In Angola hätten die Mitarbeitenden vor Ort an den Kriterien zur Evaluation ihrer Arbeit nicht mitgewirkt. Fast komisch mutet an, dass die für die Evaluation zuständige Britin vor ihrem Einsatz erst auf der Weltkarte gucken musste, auf welchem Kontinent Angola liegt. Der Ausschluss der lokalen Mitarbeiter aus der Konzeption der Evaluation hat ernste Folgen: Die vorgelegten Kriterien hätten wenig mit ihrer Arbeit zu tun gehabt; das Prozedere sei als Zumutung empfunden worden. Wirkliche Probleme und mögliche Verbesserungen habe die Evaluation so nicht hervorgebracht.

Warne Peters‘ Studie ist auch über den von ihr beleuchteten Fall hinaus lesenswert. Immer wieder ordnet sie ihre empirischen Befunde theoretisch ein. Eine fertige Lösung hat sie nicht parat. Doch wahrscheinlich wäre schon viel gewonnen, wenn die oft unsichtbare und informelle Vertrauensbildung und Kontaktpflege als das anerkannt wird, was sie ist: Arbeit. 

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