China hält die Regeln der Welthandelsorganisation WTO ein und verschafft trotzdem eigenen Firmen unfaire Vorteile, erklärt Paul Blustein. Der Handelskonflikt Chinas mit den USA könne die WTO lähmen und die Weltwirtschaft in zwei Teile zerreißen – zum Schaden aller.
Die Europäische Union hat sich am Ende der deutschen Ratspräsidentschaft mit der Volksrepublik China auf Grundsätze eines Investitionsabkommens geeinigt. Wer dessen Chancen einschätzen möchte, wird das Buch des Fachjournalisten Paul Blustein über die jüngere Geschichte der Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China mit großem Gewinn lesen. Denn dieselben Konflikte sucht nun die EU mit einem Abkommen außerhalb der WTO zu lösen.
Blustein zeigt, dass Peking auf Betreiben Washingtons außerordentlich harte Bedingungen akzeptieren musste, um 2001 der WTO beitreten zu können. So sollten Chinas Patentrecht strenger und das Gerichtswesen so reformiert werden, dass es ausländischen Unternehmen Rechtssicherheit gibt. Blustein zufolge hat Peking seine Zusagen im Wesentlichen umgesetzt und sich, wenn es Verfahren vor dem WTO-Schiedsgericht verlor, an die Urteile gehalten.
Trotzdem, so Blustein, verschaffte Peking eigenen Unternehmen unfaire Vorteile. Zunächst hielt es den Wechselkurs der eigenen Währung und damit den Preis chinesischer Produkte im Ausland künstlich niedrig. Währungspolitik fällt nicht in die Kompetenz der WTO. Versuche der USA, Peking hier mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds unter Druck zu setzen, seien gescheitert, als der Westen ab 2008 Chinas Hilfe bei der Bewältigung der Weltfinanzkrise brauchte. Danach und vermehrt unter Präsident Xi Jinping (seit 2012) habe China systematisch Schlupflöcher in den Regeln der WTO genutzt, um eigene Firmen zu begünstigen – etwa mit billigen Krediten und Subventionen sowie Vorschriften für ausländische Firmen, ihre Technik weiterzugeben; diese würden inzwischen aber kaum noch offen genutzt.
Das Kernproblem sieht Blustein in Chinas polit-ökonomischem System: Die Kommunistische Partei könne Staatsfirmen, Banken und formal unabhängige Privatunternehmen unter der Hand anleiten, Geschäftskalküle zugunsten des Interesses von Staat und Partei zurückzustellen, etwa bestimmte Personen einzustellen, lokale Produkte zu bevorzugen oder in bestimmte Techniken zu investieren. Das sei kaum nachweisbar und die Regeln der WTO seien dafür nicht gemacht.
Das Buch zeichnet auch die Auswirkungen von Chinas Exportoffensive auf die USA nach; sie haben laut Blustein den Wahlsieg von Donald Trump 2016 begünstigt. Dessen Handelspolitik und besonders sein Handelskrieg gegen China habe dann aber den USA selbst geschadet: Statt Peking sei Washington zum Hauptproblem der WTO geworden. Doch nur mit des internationalen Handelsregimes könne China ökonomisch eingehegt werden. Die USA sollten zusammen mit anderen Staaten WTO-konform Druck ausüben.
Hier weckt die Argumentation Zweifel. Laut Blustein gingen die USA in den Beitrittsverhandlungen zur WTO davon aus, dass sich China nach der Integration in die WTO in Richtung eines marktwirtschaftlichen Rechtsstaats entwickeln müsse. Der Autor findet das selbst naiv. Warum aber sollte dann aber eben dieser Druck durch Integration jetzt, da China wirtschaftlich weiter erstarkt ist, besser wirken? Und wird nicht auch im Westen selbst technologische Führerschaft wegen ihrer militärischen und politischen Bedeutung zunehmend als Aufgabe des Staates gesehen?
Das Buch ist stark aus US-Perspektive geschrieben, würdigt aber auch chinesische Stimmen recht fair. Trotz des schweren Themas ist es sehr gut lesbar. Blustein hat mit Zeitzeugen gesprochen, schildert lebendig viele Verhandlungsprozesse und macht damit Mechanismen und Grenzen der Handelspolitik klar – einschließlich der Differenzen innerhalb beider Regierungen. Er erklärt verständlich die zugrunde liegenden ökonomischen Sachverhalte und die Auswirkungen von Handelsregeln und Handelshemmnissen. Das Buch bietet damit auch einen guten Einstieg in die Praxis des Welthandelsregimes. Nur eine Bibliografie und ein Register fehlen leider.
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