Mit seinen Essays und Analysen kratzt der in Österreich lebende Schriftsteller und Psychoanalytiker Sama Maani am Lack des linksliberalen Weltoffenheitsdiskurses, der angesichts wachsender Islamophobie in westlichen Gesellschaften Respekt vor dem Islam einfordert.
Sama Maani schont seine Leserschaft nicht. Wie sich selbst verortet er diese im linksliberalen Milieu. Ausgangspunkt einiger seiner Essays ist die Frage, warum viele Linke die Ablehnung des Islams als „rassistisch“ empfinden, nicht jedoch die Ablehnung des Christentums. Oder warum die Demonstranten des Arabischen Frühlings als „Muslime“ wahrgenommen würden, die Gelbwesten in Frankreich aber nicht als „Christen“.
Mit Hilfe von Sigmund Freuds Triebtheorie, der Religionskritik Karl Marx‘, oder der kritischen Theorie der Frankfurter Schule dekonstruiert Maani unausgesprochene Grundlagen aktueller Diskurse. Er kommt zu dem Schluss, dass dem Begriff der Islamophobie eine rassistische Grundannahme vorausgehe. Wer von Islamophobie spreche, gehe davon aus, dass alle Menschen aus Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung Muslime sind, dass der Islam also gewissermaßen eine Natureigenschaft der Türken, Araber, Nordafrikaner, Syrer und Afghanen sei – eine Annahme, die auch rechten Diskursen zugrunde liege. Dabei werde ausgeblendet, dass jede und jeder aus diesen Gruppen eine ganz eigene Haltung zum Islam haben könne, ja, es werde ihnen sogar abgesprochen, dass sie selbst ihrer Religion vielleicht kritisch distanziert gegenüberstehen.
Am Beispiel des Irans, wo der in Graz geborene Maani selbst eine Zeit lang gelebt hat, zeigt er auf, wie islamkritische Bewegungen in einem islamisch geprägten Staat im Keim erstickt werden – mit dem Argument, man dürfe der wachsenden Islamophobie in westlichen Ländern nicht in die Hände spielen. Ohne die kritische Auseinandersetzung mit der (eigenen) Religion gebe es aber auch keine Religionsfreiheit. Dass Muslime in westlichen liberalen Demokratien heute über mehr Religionsfreiheit verfügten, sei nicht Resultat eines interreligiösen Friedensvertrags zwischen Christen und Muslimen, sondern der Emanzipation der Gesellschaft von jeglicher Religion, schreibt Maani. Diese Emanzipation ist für den Autor die Grundvoraussetzung für Religionsfreiheit und die Überwindung von religiösem Hass.
Scharfsinnig analysiert er, wie weit „das um sich greifende Respektgebot uns hinter den religiösen Toleranzgedanken der Aufklärung zurückfallen“ lässt. „Religionsfreiheit, die einmal die Freiheit des Einzelnen der Religion gegenüber meinte (und die Freiheit von Religion selbstverständlich mit einschloss), bedeutet im Respektdiskurs nunmehr die Freiheit der Religion gegenüber dem Einzelnen.“
Maani zeigt im Hinblick auf den Iran und andere mehrheitlich muslimische Gesellschaften auf, wie sich die Prämissen der dortigen Diskurse und die des europäischen linksliberalen Lagers ergänzen. Während die islamischen Herrscher von ihrem Volk die volle Identifizierung mit dem Islam fordern, hege das linksliberale Milieu in westlichen Demokratien eine klammheimliche Schwäche für den politischen Islam, weil dieser ins Schema des antiimperialistischen Befreiungskampfes passe.
Man muss nicht Freud, Adorno oder Marx im Original gelesen haben, um Maani in seiner Argumentation folgen zu können. Bevor er seine Schlüsse zieht, erklärt der Autor seiner Leserschaft gut verständlich die entsprechenden theoretischen Ansätze. Das macht das Buch zu einem Lesegenuss. Einen intellektuellen Gewinn bietet es zudem, zwingt es doch, eigene Positionen zu hinterfragen.
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