Simon Jacob ist Vorsitzender des Zentralrats der Orientalischen Christen in Deutschland und gilt als Experte zu verfolgten Minderheiten im Nahen Osten. In seinem Buch berichtet er von Reisen in Gebiete Syriens und des Iraks, die westliche Journalisten kaum besuchen dürfen.
„Peacemaker“ ist keine klassische Reportagesammlung. Der Untertitel „Mein Krieg. Mein Friede. Unsere Zukunft“ deutet bereits an, dass in dem Buch viel Selbstreflexion steckt. Das sollte nicht als eitle Nabelschau, sondern vor dem Hintergrund der Herkunft des Autors verstanden werden: Jacob ist aramäischer Christ. Als Kind ist er in den 1980er Jahren nach Deutschland gekommen, weil seine Eltern in ihrem syrisch-orthodoxen Heimatdorf in der Südosttürkei keine Zukunft mehr sahen. Jacob identifiziert sich mit den heute Verfolgten in den Kriegsgebieten und lässt seine Leser die Vorgänge im Nahen Osten mit deren Augen sehen.
Für westliche Leser mag irritierend sein, wie ausführlich er über christliche Milizen in Syrien schreibt und sie immer wieder an der Front besucht. Aus seiner Bewunderung für die, die sich und die Ihren mit der Waffe verteidigen, macht er keinen Hehl. Das passt nicht in das Bild der Christen im Nahen Osten, die über Jahrhunderte die linke Wange hingehalten haben und die im Zweifel vor ihren Verfolgern geflohen sind, so dass in den urchristlichen Gebieten im Nahen Osten heute kaum mehr Christen leben. Doch was will man Jacob entgegnen, wenn er schreibt, dass man mit Dschihadisten, die in ihrem Gegenüber nur Abschaum sehen, nicht diskutieren könne? Auch gegen sein Plädoyer für Waffenlieferungen an gefährdete Minderheiten lässt sich nur wenig sagen, solange niemand diese Minderheiten vor dem Wüten der Fanatiker schützt.
Dennoch teilt der Autor die Welt nicht in gute Christen und böse Muslime ein. Er sucht nach Menschen, die aus diesen Klischees fallen, und findet etwa den Chef eines einflussreichen sunnitischen Clans, der sich den christlichen Milizen angeschlossen hat, um ein Zeichen zu setzen für die kulturelle und ethnische Vielfalt im Nahen Osten. Jacob sucht nach Menschen, die sich für den Frieden einsetzen, egal welcher Religion oder Ethnie sie angehören.
Besonders hilfreich sind die Ausführungen zum orientalischen Clanwesen, dessen Loyalitäten und Machtstrukturen sich durch alle Bereiche des familiären, gesellschaftlichen und politischen Lebens ziehen. So hat zum Beispiel das Wort des Clanchefs für alle Clanmitglieder bindende Autorität. Wer sich dagegen auflehnt, verliert den Schutz des gesamten Clans.
Ernüchternd ist indes der Schluss, zu dem Jacob in Hinblick auf einen potenziellen Regimewechsel kommt: Das patriarchale Clanwesen sei mit einem autoritären Regime eher kompatibel als mit einer liberalen Demokratie. Welche Schlussfolgerungen die internationale Politik daraus ziehen soll, lässt Jacob offen. Bedenken sollte man die Clanstrukturen aber bei allen Vorhaben, die man in der Region angeht, rät der Autor. Jacob eröffnet neue Perspektiven und zwingt dazu, eigene Positionen zu überdenken. Deshalb ist sein Buch ein wichtiger Beitrag zur Debatte über den Nahen Osten. Eingängig geschrieben ist es allemal.
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