Thailand war einmal der wichtigste Verbündete der USA in Südostasien. Der Thailand-Korrespondent und ehemalige Politikberater Benjamin Zawacki analysiert in seinem Buch, weshalb sich das Land nun China zuwendet – und beklagt ein Versagen der US-Diplomatie.
Die Straße von Malakka ist so etwas wie die Achillesferse der chinesischen Wirtschaft. Würde jemand die Meerenge dichtmachen, die zwischen Sumatra und der Malaiischen Halbinsel den Indischen Ozean mit dem südchinesischen Meer verbindet, wäre China vom Ölnachschub aus Saudi-Arabien, dem Iran und dem Irak abgeschnitten. Dass die US-amerikanische Marine den Engpass kontrolliert, macht die Lage für China nicht besser.
Nicht zuletzt um die Meerenge notfalls umgehen zu können, investiert die Großmacht in Straßen und Schienen auf dem thailändischen Festland. Zudem plant China für das Jahr 2025 den Bau eines Kanals, der die Andaman-See direkt mit dem Golf von Thailand verbindet.
In seiner detaillierten historischen Analyse zeichnet Benjamin Zawacki, langjähriger Thailand-Korrespondent für verschiedene Zeitungen, den wachsenden Einfluss Chinas auf die thailändische Elite nach. Dazu rekonstruiert er im ersten Abschnitt seines Buches die enge Zusammenarbeit zwischen Amerika und Thailand zwischen 1945 und 2001. Damals war das Interesse der USA an Thailand groß, denn es galt als Bollwerk gegen den Kommunismus und als Basis für militärische Operationen in Vietnam, Kambodscha und Laos – 75 Prozent der Bombenangriffe gegen Nordvietnam gingen von thailändischem Boden aus. Im Gegenzug erhielt die dortige Führungselite Finanzspritzen und militärische Unterstützung, um innenpolitische Aufstände niederzuschlagen, wie der Autor dokumentiert. Über die Jahre bildeten sich enge persönliche Beziehungen zwischen thailändischen und US-amerikanischen Funktionären heraus.
Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde Thailand für US-amerikanische Strategen allerdings immer unwichtiger, wie Zawacki unter anderem anhand der Asienkrise im Jahr 1997 belegt. Damals habe Washington Thailand zunächst überhaupt nicht mehr finanziell unterstützen wollen und das Land unter großem Druck dazu gebracht, sich den verhassten Strukturanpassungsmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu beugen, schreibt er.
Den zweiten Abschnitt des Buches widmet Benjamin Zawacki der Zeit zwischen 2001 und 2014. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center habe sich die amerikanische Außenpolitik nur noch auf den Nahen Osten konzentriert, kritisiert Zawacki. So sei in Thailand ein politisches Vakuum entstanden, das China für sich nutzen konnte. Während amerikanische Diplomaten abzogen, habe China seine Bemühungen intensiviert: Die Mitarbeiter der Botschaft in Bangkok kämen inzwischen aus hohen Rängen der Parteihierarchie und sprächen immer öfter flüssig Thai. Diese symbolischen Gesten hinterließen Eindruck, betont der Autor. So seien innerhalb der vergangenen Jahre enge wirtschaftliche, kulturelle und diplomatische Bande zwischen Thailand und China geknüpft worden.
Für sein Buch hat der Autor, der als außenpolitischer Berater für Jimmy Carter gearbeitet hat, mehr als neunzig Interviews mit Amtsträgern aus den USA und Thailand geführt. Herausgekommen ist eine feingliedrige Analyse, die deutlich macht, dass sich der wachsende Einfluss Chinas nicht allein auf die wirtschaftliche Kraft der Volksrepublik zurückführen lässt, sondern tiefer liegende Ursachen im Versagen der US-amerikanischen Diplomatie und einer Umorientierung der thailändischen Elite hat. Die Detailversessenheit, mit der Zawacki Nuancen im diplomatischen Austausch zwischen Thailand, China und den USA beschreibt, ist beeindruckend und liest sich über weite Teile spannend. Manchmal fällt es aber schwer, die einzelnen Teile zu einem Gesamtbild zu fügen – hier hätten zusammenfassende Abschnitte geholfen.
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