Lange hat sich der deutsche Buchmarkt kaum für das Thema Christen im Nahen Osten interessiert. Mit der Zahl der Anschläge auf Christen, Kirchen und Klöster steigt das Interesse, nicht aber die Sachkenntnis. Das zeigt auch das Buch von Hans-Joachim Löwer.
Gut, dass mehr Bücher zum Thema erscheinen, könnte man sagen und zu Recht darauf verweisen, dass sich um diese religiös motivierten Menschenrechtsverletzungen bisher niemand so recht geschert hat. Die Art und Weise, wie einige Autoren über das Thema Christenverfolgung berichten, stimmt allerdings nachdenklich. Hans-Joachim Löwers Reportage „Mit Feuer und Schwert“ zeigt einmal mehr, wie Journalisten kurzfristig ein Skandalthema für sich entdecken, zu den ohnehin schon bekannten Hotspots heutiger Christenverfolgung reisen und dann in ihren Berichten die eitle Rolle des hartnäckigen Rechercheurs einnehmen. Das erinnert doch stark an die einstigen Orient-Erklärer Gerhard Konzelmann und Peter Scholl-Latour.
Drei Monate ist Löwer für sein Buch durch Ägypten, Irak, Syrien, Türkei, Libanon und die Palästinensischen Gebiete gereist. Daraus hat er 30 Kapitel, sprich 30 Geschichten von verfolgten Christen zusammengetragen. Für jedes Land hatte er im Durchschnitt zwei Wochen Zeit, für jede Geschichte wenige Tage. Allein das sollte stutzig machen. Zumal Löwer damit wirbt, nur mit Menschen vor Ort und nicht mit Journalisten, Politikern oder offiziellen Vertretern von Parteien, Kirchen oder Organisationen gesprochen zu haben. Das soll Authentizität suggerieren. Bei einigen der interviewten Personen – etwa bei der konvertierten Tochter eines schiitischen Scheichs oder dem entführten und gefolterten irakischen Priester – dürfen aber Zweifel berechtigt sein, dass sie ihre Geschichte hier zum ersten Mal erzählen.
Das stellt keineswegs die Integrität der Interviewten infrage. Vielmehr legt es die Frage nahe, was Löwer mit seinem Buch beabsichtigt. Indem er sich allein auf verfolgte Christen konzentriert, verfolgte Jesiden, Drusen, Alewiten, Schiiten oder auch Sunniten (ja, die gibt es!) aber außen vorlässt, gleitet das Ganze schnell in das wenig hilfreiche Erklärungsmuster „böser Islam – gutes Christentum“ ab. Die im Buch vorkommenden Muslime bekommen bis auf wenige Ausnahmen die Attribute rachsüchtig, heuchlerisch oder gewalttätig zugeschrieben, während die Christen vor allem als leidensfähig, grenzenlos nächstenliebend und zu allen Opfern bereit dargestellt werden. Für die vorgestellten Einzelfälle mag das alles stimmen, in der Gesamtschau wird es aber schwierig, weil sie eine grob fahrlässige Verallgemeinerung nahelegt. Evangelikale Gruppen verfahren beim Thema Christenverfolgung übrigens nach dem gleichen Muster.
Wer allein das Leid der Christen in den Blick nimmt, wird der ethnischen, kulturellen und religiösen Vielfalt, die den Nahen Osten über Jahrhunderte ausgemacht hat, nicht gerecht. Diese Vielfalt ist das Geheimnis des einzigartigen kulturellen Reichtums dieser Region. Und sie hat 14 Jahrhunderte islamischer Herrschaft überdauert. Oder sollten es am Ende gerade die islamischen Herrscher gewesen sein, die über viele Jahrhunderte hinweg ihre Hand schützend über diese Vielfalt gehalten haben? Durch diese Brille gesehen verschwimmt der auf den ersten Blick so plausible Gegensatz Christentum-Islam und ein anderer Antagonismus wird deutlich. Es geht um Fundamentalismus versus Toleranz – ein Spannungsfeld, das nicht nur den Islam etwas angeht und keineswegs nur den Nahen Osten betrifft. Wenn erfahrene Journalisten wie Hans-Joachim Löwer dies bei ihren Reportagen im Blick behielten, wären ihre Bücher hilfreich.
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