Der Weg in die Katastrophe

Die Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld erzählt die bewegte Geschichte Syriens vom Ersten Weltkrieg bis heute. Und weckt dabei keinerlei Hoffnungen auf ein Ende des Krieges.

Vor genau 100 Jahren unterzeichneten Frankreich und Großbritannien ein Geheimabkommen, mit dem sie sich die damals osmanischen Provinzen Syrien, Palästina und Libanon sowie Mesopotamien (Irak) als Mandatsgebiete sicherten. Die anschließenden Pariser Friedensverhandlungen bestätigten die Aufteilung – trotz Unabhängigkeitserklärung des syrischen Staates. Die Folge waren Revolten der Unterdrückten und Repressionen der Mandatsmacht. Immer wieder bombardierte diese Damaskus und tötete dabei Hunderte Menschen. Erst  1946 verließen die letzten französischen Truppen Syrien.

In sieben spannend geschriebenen Kapiteln zeichnet die Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld die bewegte Geschichte Syriens vom Ersten Weltkrieg bis heute nach. Sie schildert die Machtkämpfe zwischen Monarchisten, Muslimbrüdern und jenen, die sich für eine säkulare Republik einsetzen, ebenso die jahrzehntelange Destabilisierung durch Putsche und die Einmischung durch US-Amerikaner und Briten. Die Chronologie der Ereignisse lockert sie mit Zwischenkapiteln auf, in denen christliche Politiker, Diplomaten, Markthändler und antiislamistisch eingestellte Jugendliche zu Wort kommen. Diese Portraits und Interviews illustrieren jeweils am Ende eines Kapitels die nüchterne Darstellung der historischen und politischen Entwicklungen.

Leukefeld beschreibt, wie syrische Offiziere den Schulterschluss mit Nasser in Ägypten suchten, und wie das kurze Zwischenspiel der Vereinigten Arabischen Republik 1958-1961, einem syrisch-ägyptischen Zusammenschluss, durch einen Putsch beendet wurde. Ein weiterer Putsch ebnete 1966 Hafiz al-Assad den Weg zur Macht, die er bis zu seinem Tod 2000 in Händen hielt. Sein Sohn und Nachfolger Bashir, leitete zunächst Reformen ein, stärkte die Rolle der Frau, liberalisierte das Bildungs- und Bankwesen und ließ private Zeitungen zu. Zwischen 2005 und 2007 nahm das sunnitisch geprägte Syrien 1,5 Millionen irakische, meist schiitische Flüchtlinge auf, was das Land überforderte. Das Regime führte für Iraker die Visumspflicht ein und bat die internationale Gemeinschaft um Hilfe.

Leukefelds Schlusskapitel „Die große Zerstörung“ beschreibt detailliert die Proteste, die im Frühjahr 2011 in der Provinz ihren Anfang nahmen und sich bald zu Aufständen in verschiedenen Städten auswuchsen. Die Türkei, in der im Sommer 2011 die „Freie Syrische Armee“ entstand, unterstützte die Islamisten, die gegen Assad kämpften. Bald folgten bewaffnete Aufstände in Homs und Aleppo und Terroranschläge in Damaskus. Seit 2014 bombardieren die USA und fünf arabische Staaten IS-Stützpunkte in Syrien. 2015 stieß Russland dazu und stationierte Truppen der Luftwaffe in Syrien, um Assad zu unterstützen. In nur fünf Jahren ist aus dem innersyrischen Konflikt ein internationaler Stellvertreterkrieg um die Kontrolle im Nahen Osten geworden. Hunderttausende Tote sind zu beklagen, Millionen sind auf der Flucht, Syrien ist in großen Teilen zerstört. Die Frage nach einem Ausweg aus der Katastrophe kann auch die Autorin nicht beantworten.

Leukefelds Buch ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Vorgänge im Inneren Syriens und seiner Beziehungen mit den Nachbarn, der EU, Russland und den USA. Hoffnungen auf ein Ende des Krieges weckt es nicht.

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