Grundsätzliches zum Recht auf Nahrung

Mangel- und Unterernährung betreffen vielerorts vor allem Frauen und Kinder –  selbst dort, wo Kleinbäuerinnen die tragende Kraft in der Landwirtschaft sind. Diesem Paradox geht der umfangreiche Sammelband eines internationalen Forscherinnenteams auf den Grund.

Zur Vorbereitung ihrer Studie haben die Agrar- und Ernährungswissenschaftlerinnen mit dem früheren UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, und der internationalen Nichtregierungsorganisation FIAN im Rahmen von Workshops und Konferenzen zusammengearbeitet.

Die Grundlage der sechs umfangreichen Kapitel sind die übersichtlich aufgeschlüsselten internationalen Abkommen zu Menschen- und Frauenrechten. Die Wissenschaftlerinnen aus verschiedenen Kontinenten bereiten sie so auf, dass auch Leser, die keine Völkerrechtsexperten sind, sie gut verstehen können. Zudem halten einige Autorinnen Entwicklungsorganisationen den Spiegel vor, die Ernährungsprogramme für Mütter und Kinder planen und dabei Ausbeutungs- und Gewaltverhältnisse unberücksichtigt lassen, obwohl diese Fehl- und Mangelernährung verursachen.

Die Forscherinnen weisen nach, wie wenig es der Müttergesundheit zuträglich ist, nur auf eine ausreichende Kalorienzufuhr zu achten oder gar für Milchpulver als Ersatz für Muttermilch zu werben. Auch die kontextlose Ausrichtung auf landwirtschaftliche Produktionssteigerung führt ins Leere, wenn Frauen- und Kinderrechte in liberalisierten Agrarökonomien missachtet werden.

Deshalb fordern die Herausgeberinnen, lokale Ernährungssysteme stärker zu schätzen und zu fördern und Kleinbäuerinnen mehr Entscheidungsgewalt zuzugestehen. Auch soziale Bewegungen, die sich für Landrechte und Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, sollten durch die Entwicklungszusammenarbeit gestärkt werden. Ihnen bescheinigen die Autorinnen beim Wandel zu einer geschlechtergerechten Neukonzeption des Rechts auf Nahrung eine tragende Rolle, was sie mit Beispielen aus Brasilien, Südafrika und Indien belegen. Sie setzen auf lokale Formen der Selbstorganisation, nachhaltige Landnutzung und Verminderung häuslicher Gewalt.

Die Herausgeberinnen dieses verständlich geschriebenen Buches stellen Fakten, UN-Konventionen, wichtige Politikpapiere von UN-Organisationen wie der FAO sowie aktuelle Studien internationaler Agrarforschungseinrichtungen vor. Und sie ordnen diese breite Literaturbasis kenntnisreich in fachliche und projektplanerische Zusammenhänge ein. Der praktische Nutzen erhöht sich durch übersichtliche Literaturlisten, Zeitschienen und einen Index.

Viele Beiträge illustrieren konkrete Projekte und beschreiben erfolgreiche Ansätze, beispielsweise von Brot für die Welt. Die konzeptionell innovative und lesenswerte Publikation ist deshalb nicht nur für Agrar- oder Ernährungsexperten von Interesse, sondern auch für Praktiker und Planer in Entwicklungsorganisationen. Leider ist der Sammelband wie viele Fachbücher völlig überteuert. Vor allem für viele Interessierte in Ländern des Südens ist er vermutlich unerschwinglich, so dass ihnen die interessanten Analysen möglicherweise verschlossen bleiben.

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