Vorreiter südliches Afrika

James Ferguson plädiert in seinem neuesten Buch für ein radikales Umdenken bei der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.

Seit mehr als drei Jahrzehnten wird von Kritikern und Befürwortern das Ende der Wohlfahrt verkündet. Der Aufstieg und die Ausbreitung des Neoliberalismus – gekennzeichnet unter anderem durch den Rückzug des Staates und die Privatisierung öffentlicher Güter – scheint unaufhaltsam voranzuschreiten. Doch es gibt eine gegenläufige Tendenz: In vielen Entwicklungsländern werden beträchtliche Geldmengen an einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von Programmen zur sozialen Absicherung aus Steuern umverteilt.

ames Ferguson analysiert in seiner neuesten Veröffentlichung „Give a Man a Fish“ eben diese Umverteilungen in Ländern des südlichen Afrikas mit gelegentlichen Hinweisen auf Staaten wie Mexiko oder Brasilien. Unzufrieden mit der „Politik des Anti-“, wie sie große Teile der globalisierungskritischen Bewegung prägt, fragt er nach den Chancen und Möglichkeiten für eine progressive Politik, die sich aus den neuen Wohlfahrtsprogrammen in Ländern wie Südafrika, Namibia, Sambia und Botswana ergeben könnte.

Ausgangspunkt der Überlegungen des US-amerikanischen Anthropologen ist der Umstand, dass für einen immer größer werdenden Teil der Menschheit nicht mehr die Lohnarbeit die Haupteinnahmequelle ist. Technologischer Fortschritt und die Revolution in der Informatik bedingen, dass immer weniger menschliche Arbeitskraft für die Produktion des gesellschaftlichen Reichtums benötigt wird. „... (F)ür weite Teile der Bevölkerung “, so Ferguson, „wird auf Arbeit basierter Unterhalt nicht einfach wiederkehren, und neue Formen der Distribution sind ein permanentes und notwendiges Charakteristikum für eine neue Welt.“

Zu diesen neuen Formen der Verteilung gehören – und hier spielt das südliche Afrika möglicherweise eine globale Vorreiterrolle – Pensionen und Beihilfen für Rentnerinnen und Rentner, Arbeitslose, Kranke, Studierende und Alleinerziehende. Am radikalsten vertreten Advokaten des bedingungslosen Grundeinkommens die auch vom Autor unterstützte Position, dass die Diskussion um innovative Mechanismen der Verteilung gesellschaftlichen Reichtums ins Zentrum einer progressiven Politik rücken muss, die sich nicht in dem Beklagen von Einkommensunsicherheit erschöpfen will. Die in dem Buch zitierte  Pilotstudie zum Grundeinkommen im Dorf Otjivero in Namibia zeigt, dass ohne Bedingungen gezahlte Gelder in der Regel in produktive Unternehmungen investiert werden, die Armut abnimmt und mehr Kinder in die Schule gehen können.

Fergusons Buch ist ein wertvoller, theoretisch anspruchsvoller und empirisch reichhaltiger Beitrag zu einer Debatte über eine gerechtere und sozial ausgeglichenere Welt. Nicht zuletzt stellt er wichtige Fragen an eine internationale Entwicklungspolitik, die immer noch vom Dogma der Vollbeschäftigung geprägt ist. Wie organisieren wir die Verteilung des Fisches? Darin sieht Ferguson die zentrale Frage in einer Zeit, in der immer weniger Fischer gebraucht werden.

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