Anlässlich des Klimagipfels in Paris blickt der Autor auf verpasste Chancen der Klimadiplomatie. Dabei konzentriert er sich sehr auf Konferenzen und kaum auf Wirtschaft und Gesellschaft.
Der Titel deutet es schon an: Für Nick Reimers bietet der derzeitige Klimagipfel in Paris die letzte Chance der Diplomaten, ihrer Verantwortung für den Klimaschutz gerecht zu werden. Im ersten Teil seines Buches schildert der Chefredakteur von klimaretter.info, wie die Verhandlungen in die Sackgasse geraten sind, im zweiten Teil erläutert er parallele Verhandlungsstränge und offene Fragen. Das ist nützlich, um beim globalen Klimaschutz im Gestrüpp der verflochtenen Streitthemen die Orientierung zu behalten. So erfährt man zum Beispiel, warum es wichtig ist, auf welche Weise Emissionen aus der Landwirtschaft oder die Speicherwirkung der Wälder angerechnet werden.
Eine überzeugende Einschätzung der Klimadiplomatie liefert der Autor aber nicht. Vielmehr schildert Reimers diese im Wesentlichen als Abfolge von Gipfelkonferenzen und listet auf, was jeweils beschlossen wurde. Das, betont er, ist gemessen an der Aufgabe immer zu wenig und zu spät. Im Grunde teilt er die Perspektive vieler Klimaforscher: Die mahnten seit Jahrzehnten, was auch notwendig sei, doch die Politik fasse nicht die nötigen globalen Beschlüsse.
Das stimmt. Aber für die entscheidende Frage, woran das liegt, interessiert sich Reimers wenig. Er setzt sich nicht damit auseinander, wie erfüllbar sein Anspruch an ein Klimaabkommen überhaupt ist. Es müsste ja ein globaler Vertrag sein, der stärker als alle bisherigen überall in Wirtschaft und Gesellschaft eingreift. Wie das im Konsens vereinbart und durchgesetzt werden soll, ist unbekannt. Es würde sicher auf großen innenpolitischen Widerstand stoßen; an einer Stelle erwähnt Reimers das für den Fall der USA.
Hinzu kommt, dass sich niemand leicht zu etwas verpflichtet, von dem unklar ist, wie es erreichbar ist – zum Beispiel zum völligen Verzicht auf fossile Brennstoffe. Dass die Kosten etwa für Solar- und Windkraft sinken, erleichtert beispielsweise globale Klimapolitik. Doch auch die technische Entwicklung lässt Reimers außen vor. Er blendet sogar die Klimadiplomatie jenseits der Gipfeltreffen weitgehend aus – etwa Gespräche zwischen den USA und China, Vorreiter-Koalitionen sowie Initiativen, die Unternehmen oder Kommunen einbeziehen. Solche Umwege suchen Klimapolitiker, um die großen Hindernisse einer globalen Einigung zu umschiffen.
Schließlich geht Reimers kaum darauf ein, was einzelne Länder für den Klimaschutz tun. Täte er das, dann erschiene der Gipfel in Kopenhagen 2009 in etwas anderem Licht: Dort wurde der top-down-Ansatz begraben, wonach eine Gesamteinsparung an Emissionen global festgelegt, auf die Staaten verteilt und bindend gemacht werden soll. Reimers bewertet das als Fehlschlag, den es in Paris zu reparieren gelte. Der Schwenk dazu, dass alle Staaten erklären, was sie freiwillig leisten können und wollen, hat dagegen bereits Fortschritte beim Klimaschutz in einer Reihe von Ländern befördert.
Das reicht nicht, um die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Um das zu erreichen, fordert Reimers weiterhin ein Abkommen, das die erforderliche globale Minderung der Treibhausgase festschreibt und allen Staaten verbindliche Einsparungen zuweist. Ein genauerer Blick auf die Geschichte der Klimadiplomatie legt aber den Schluss nahe: Das ist unrealistisch. Nur mit Umwegen kommt man hier überhaupt vorwärts.
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