Der britische Soziologe John Urry unternimmt mit diesem Buch den verwegenen Versuch, so ziemlich alle Probleme der Welt als Ausdruck des „Offshoring“ zu erklären. Das geht gründlich daneben.
Unter „Offshoring“ versteht Urry – ja, was eigentlich? Er definiert es als Strategie, mit der die kleine Minderheit der Reichen den Löwenanteil der Profite vereinnahmt. Sie verlagert Geschäfte in andere Regionen und verbirgt sie auf diese Weise. Geheimhaltung ist für Urry ein Kern des Offshoring, das die Nationalstaaten und die Demokratie untergrabe. Er führt es auf den Sieg des Neoliberalismus in den 1980ern zurück, für den er recht platt verschwiegene Zirkel von Ökonomen, Politikern und Konzernlenkern verantwortlich macht.
Soweit Urry dabei an Finanzmärkte und Steueroasen denkt, ist das nicht neu, aber einleuchtend. Doch Offshoring umfasst für ihn auch die Verlagerung von Teilen der Güterproduktion an billigere Standorte. Weiter rechnet er dazu, dass zahlreiche Länder Energieträger aus dem Ausland einführen, dass sie ihren Müll exportieren, Abfallstoffe ins Meer und die Luft freisetzen und Großveranstaltungen wie die Olympischen Spiele von Steuern befreien. Auch Geheimdienste, den Einsatz von Kampfdrohnen und das System, Terrorverdächtige in anderen Ländern foltern zu lassen, rechnet Urry zur Welt des Offshoring.
Offenbar sind aber Ölimporte, Fabrikverlagerungen und große Sportveranstaltungen im Gegensatz zu Steuerflucht nicht geheim, während die Geheimdienste zwar verborgen arbeiten, jedoch zu Staaten gehören. Wie man all das als ein und dasselbe Phänomen begreifen soll und was damit erklärt ist, fragt man sich bis zum Ende des Buches vergeblich.
Urry wirft gern alles in einen Topf: So klassifiziert er Solarkraftwerke in Marokko und Schweröl in Kanada als unkonventionelle Energien und damit als schädlich. Er suggeriert Zusammenhänge, statt sie nachvollziehbar zu erklären. Dafür streut er weit ausgreifende historische Exkurse ein, unter anderem auf die Kriegstechnik, die Energie und die Musikindustrie. Hunderte Anmerkungen täuschen wissenschaftliche Genauigkeit vor, doch viele Quellen sind Zeitungsartikel. Die zentrale Behauptung, ein Viertel der Erde seien Steueroasen, belegt Urry sogar mit Wikipedia. Weil oft nicht klar ist, worauf er gerade hinaus will, ermüdet die Lektüre des Buches auch noch. Kurz: Es ist völlig überflüssig.
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