Manches bleibt im Ungefähren

 

Theodore Trefon
Congo Masquerade
The Political Culture of Aid Inefficiency and Reform Failure
Zed Books, London/New York 2011, 
153 Seiten, ca.15,20 Euro

In der Demokratischen Republik Kongo beteiligen sich eine der weltweit größten UN-Missionen und zahlreiche Geber am Staatsaufbau. Der Erfolg ist laut Theodore Trefon bescheiden und die Hilfe weitgehend wirkungslos. Warum, will der belgische Fachmann für Zentralafrika in diesem Buch erklären. Den hohen Anspruch löst er nur teilweise ein.

Im Grunde führt er immer wieder seine Kernthesen zum Wesen des Staates im Kongo an: Wenn Politiker Reformen versprechen, führen sie nur ein Theater für die Geber auf, deren Hilfe sie benötigen. Und die spielen mit, um ihre eigenen Absichten zu verschleiern. Formale Gesetze und Regeln gelten in der Praxis wenig im Vergleich zu informellen Regeln, etwa der gegenseitigen Begünstigung; und die Unsicherheit, die in diesem Nebeneinander begründet ist, wird als Herrschaftsmittel genutzt. Trefon lehnt sich damit an grundlegende Analysen der Politik in Afrika an, etwa des Politologen Jean-François Bayart und der Soziologen Jean-Pascal Daloz und Patrick Chabal. Er schildert das im ersten Kapitel recht abstrakt.

Wie sich diese Mechanismen im Kongo zeigen und auswirken, macht am ehesten das vierte Kapitel über die Verwaltung des Landes deutlich. Trefon erklärt darin die desolate Lage von Lehrern, die kaum Gehalt bekommen und gezwungen sind, illegal Beiträge der Eltern zu erheben. Und er schildert an Beispielen, wie sich Staatsvertreter je nach Bedarf auf formale Regeln und Vorschriften oder aber auf informelle Gewohnheiten und Bräuche berufen, und dass dies zu ständigen Aushandlungen zwischen ihnen und den Bürgern führt, die meist mit Kompromissen enden. Ähnlich anschauliche Schilderungen der Gepflogenheiten in der politischen Klasse fehlen leider, und zu Aushandlungen zwischen ihr und den Gebern finden sich nur einzelne Beispiele.

Zu den starken Passagen des Buches zählt die Schilderung, wie die Geografie des Landes den Transport behindert und damit den Aufbau eines Staates – ohne bessere Infrastruktur könne der nicht gelingen. Gut ist auch seine Kritik an der Holzwirtschaft. Sie kann laut Trefon theoretisch zur Entwicklung beitragen und der lokalen Bevölkerung nützen, in der Praxis ist das aber unwahrscheinlich. Zwar seien die Gesetze stark verbessert worden, könnten aber nicht durchgesetzt werden. Der Landbesitz der im Wald lebenden Gruppen sei unklar und selbst wenn sie einen Teil der Profite bekämen, komme er den schwächeren Mitgliedern selten zugute.

Eingeschränkt überzeugend ist Trefons kritische Bilanz der UN-Mission: Sie habe manches geleistet – etwa bei den Wahlen –, beim Kernauftrag, die Bevölkerung vor Gewalt zu schützen, jedoch versagt. Die Staatengemeinschaft ignoriere die Ursachen der Gewalt im Ostkongo: lokale Konflikte über Land und Macht. Trefon erwähnt nicht, dass die UN-Mission widersprüchliche Aufträge hat: Neben dem Schutz vor Gewalt soll sie den Staatsaufbau unterstützen – also die Zentralregierung, eine der Kriegsparteien. Überraschend ist seine Bewertung des US-amerikanischen Gesetzes, das Unternehmen zwingt, den Ursprung von Mineralien aus dem Ostkongo nachverfolgbar zu machen, damit die Profite nicht länger Milizen zugutekommen können: Unerwähnt bleiben die Probleme, die das für den Lebensunterhalt zahlreicher Kleinschürfer im Ostkongo bringt.

Mit manchen Thesen bleibt Trefon im Allgemeinen oder gar im Ungefähren. So beklagt er – wenig überraschend – die Konkurrenz der Geber, ihre schlechte Koordination und den Einfluss ihrer Interessen. Er schildert aber nicht, wo bestimmte Geber einander entgegen gearbeitet haben und warum. Stattdessen tauchen zuweilen tiefsinnige Banalitäten auf wie „Die Krise ist historisch verwurzelt, politisch verwickelt und sozial komplex“ oder: „Trotzdem scheinen die Menschen Gelegenheiten zu ergreifen, ihr Los zu verbessern, indem sie die Dynamiken ihrer sozialen Interaktion verändern.“ Hinter der wolkigen Formulierung verbirgt sich Trefons Hoffnung auf die Innovationskraft der Gesellschaft, obwohl sie – wie er erklärt – das Überleben sichert, aber bisher kaum zu Strukturreformen beiträgt. Die Zukunft des Landes ist unsicher, schließt er. Auch das gilt nicht nur für den Kongo. (Bernd Ludermann)

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