Der harte Weg zur Gerechtigkeit

The International Criminal Court
Deutschland, 2012
Regie: Marcus Vetter, Michele Gentile; 86 Minuten
Filmstart: 2. Mai 2013

Die Ziele sind ehrgeizig, die Widerstände zahlreich, die Hürden hoch, doch die Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag sind hartnäckig. Sie lassen sich auch von Rückschlägen oder Kompetenzgerangel nicht entmutigen. Wie das Team von Luis Moreno Ocampo, bis Juni 2012 Chefankläger des ICC, Ermittlungsverfahren und Prozesse gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher vorantreibt, das zeigt facettenreich der Dokumentarfilm „The International Criminal Court“ von Marcus Vetter und Michele Gentile.

Der Gerichtshof verfolgt Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und soll aktiv werden, wenn die jeweilige nationale Justiz dazu nicht fähig ist. Sein Gründungsstatut wurde 1998 in Rom von 120 Staaten beschlossen. 2002 trat es in Kraft. 2003 wurden die 18 gewählten Richter vereidigt und der argentinische Jurist Luis Moreno Ocampo zum Chefankläger gewählt. Für diesen exponierten Posten hat er in den 1990er Jahren als Staatsanwalt in Prozessen gegen argentinische Junta-Generäle reichlich Erfahrung gesammelt. 2008 beantragte Moreno Ocampo erstmals gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt, den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir, Haftbefehl unter anderem wegen Völkermordes.

Angelehnt an Erzählmuster des Justizthrillers beschreibt der Film aus Sicht des Chefanklägers die tägliche Arbeit des Juristen. Im Fokus steht das siebenjährige Verfahren gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga Dyilo wegen Rekrutierung von Kindersoldaten, das 2012 mit der Verurteilung Dyilos endete. Dazwischen schildern die Autoren auch den Umgang des ICC mit der libyschen Rebellion gegen das brutale Gaddafi-Regime und erörtern die Frage, unter welchen Bedingungen die Palästinenser Klage gegen Israel wegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen erheben können.

Die Regisseure durften Ausschnitte aus tausenden Stunden an Videoaufnahmen verwenden

Vetter und Gentile, die sich bei Dreharbeiten zu Vetters Dokumentarfilm „Cinema Jenin“ im Westjordanland kennenlernten, begleiten Moreno Ocampo auf vielen Reisen, so zu libyschen Rebellenführern und zu den Vereinten Nationen in New York. Sie zeigen, wie der charismatische Argentinier die junge Institution mit Mitarbeitern aus aller Welt aufbaut, und wie er clevere PR betreibt. Für die Schlussanträge gegen den kongolesischen Warlord holte er Ben Ferencz, den 90-jährigen Chefankläger der Nürnberger Prozesse, ins Team. Und er bringt den Superstar Angelina Jolie dazu, dem Prozessfinale in Den Haag beizuwohnen.

Bei den Dreharbeiten entstand zwischen den Regisseuren und Moreno Ocampo, der den Film selbst angeregt hat, ein besonderes Vertrauensverhältnis. So bekamen sie das exklusive Recht, Ausschnitte aus tausenden Stunden an Videoaufnahmen aus dem Gericht zu verwenden, auch Videos, die dem Gericht als Beweismittel vorlagen. Vetter und Gentile arbeiten heraus, in welchen Grenzen, auch finanziellen, der ICC operieren muss. So verfügt er über keine eigene Polizeieinheit. Er kann nur Täter zur Rechenschaft ziehen, die aus Staaten stammen, die das Statut ratifiziert haben, oder die Verbrechen in einem Vertragsstaat begangen haben.

Die Großmächte USA, Russland und China, aber auch Israel und Iran haben das Statut nicht ratifiziert. Ermittlungen gegen deren Staatsbürger sind also ausgeschlossen. Andererseits ist der Gerichtshof in die Kritik geraten, weil er derzeit vor allem gegen Afrikaner ermittelt. Viele afrikanische Staaten, gerade auch Bürgerkriegsstaaten, haben den Gerichtshof allerdings anerkannt, einige haben die Strafverfolgung selbst an ihn überwiesen.

Die komplexe Machart erweist sich als das größte Handicap des ambitionierten Films, der zwischen Anklägerporträt, Institutionenchronik und Politdrama schwankt. Vermutlich wäre es auch besser gewesen, sich auf einen Fall zu konzentrieren. Dennoch machen Vetter und Gentile allemal klar, wie mühsam die ersten Schritte zu einer veritablen internationalen Strafjustiz sind. (Reinhard Kleber)

Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!