Die Hoffnung auf ein friedlicheres neues Jahr

ich hoffe, Sie sind gut ins neue Jahr gestartet. Bei mir ist schon am 2. Januar der (Arbeits)alltag eingekehrt, aber es ist noch sehr ruhig, viele sind wohl noch in der Winterpause. Die Menschen in der Ukraine, in Israel, dem Sudan oder Ostkongo können von einer solchen Pause oder bloß einer Waffenruhe nur träumen. Es herrscht Krieg in diesen Ländern, jeden Tag sterben unschuldige Kinder, Frauen und Männer. Das Leiden der Menschen dort ist unfassbar und macht sprachlos. 

In gleich zwei Artikeln befassen wir uns diese Woche mit Menschen im Nahen Osten, deren Situation in der täglichen Berichterstattung zum Krieg in Gaza kaum eine Rolle spielt. Markus Schauta hat für seine Reportage mit Palästinensern in der von Israel besetzten Westbank gesprochen, die von israelischen Siedlern nach dem Terrorangriff der Hamas Anfang Oktober aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben wurden - geduldet von der israelischen Armee und Regierung. „Es ist leicht zu erkennen, woher die Gewalt kommt, und es wäre ein Leichtes, sie zu stoppen“, sagt Roy Yellin, Direktor für Öffentlichkeitsarbeit bei der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem. Doch das geschehe nicht, weil es politisch nicht gewollt sei.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat sich auch das Verhältnis zwischen palästinensischen und deutschen Christen deutlich verschlechtert, berichtet Katja Dorothea Buck in ihrem Text "Ökumene am Tiefpunkt". Viele arabische Kirchen seien irritiert, dass deutsche Kirchenvertreterinnen und -vertreter „deutlich ihre Solidarität mit Israel aussprechen, und sie halten das für einseitig bis falsch“, sagt etwa Ralf Lange-Sonntag von der Evangelischen Mittelostkommission (EMOK), dem Gremium, das in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Nahostfragen zuständig ist. Persönlich vermisse er bei den arabischen Kirchen dagegen die nötige Empathie für die Opfer der Hamas-Angriffe. 

Düstere Themen - und doch wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre, 

Melanie Kräuter 

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Das bewegt die Redaktion

Sie merken schon, die wachsende Zahl an Kriegen und gewaltsamen Konflikten bewegt mich und die Redaktion. Ich hoffe auf ein friedvolleres Jahr 2024 und auf Politiker, die sich dafür einsetzen. Aber wie gelingt Frieden? Indem wir in Europa aufrüsten, so dass sich mögliche künftige Gegner gar nicht erst anzugreifen trauen? Was hält die Rüstungsindustrie eigentlich davon, dass sie jetzt erst einmal vorrangig für die Ukraine produzieren sollte? Um diese und andere Fragen geht es in dem Artikel, den mein Kollege Tillmann Elliesen gerade für unser nächstes Heft mit dem Schwerpunkt "Rüstung" schreibt. Sie können dann Anfang Februar noch andere spannende Artikel darin lesen: Zum Beispiel über die Militarisierung der europäischen Migrationspolitik oder darüber, welche Rolle künstliche Intelligenz in der Kriegsführung spielt und wie die Gaming- und die Rüstungsindustrie miteinander verflochten sind. Und es wird um Alternativen zum Krieg gehen: Christine Schweitzer, Geschäftsführerin des Bund für soziale Verteidigung, hat mir im Interview erklärt, warum sie trotz der bedrückenden Weltlage an die Kraft des gewaltfreien Widerstands glaubt. Seien Sie gespannt! 

Neu auf welt-sichten

Sicherheit statt Almosen! Dass der jüngste Klimagipfel einen Fonds für Klimaschäden eingerichtet hat, ist zwar gut. Aber weder ölexportierende Entwicklungsländer noch Schwellenländer mit hohen Emissionen haben sich bereit erklärt, einzuzahlen, kritisiert Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt, in unserer Herausgeberkolumne.

Lokale Friedensarbeit stärken: Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung blickt auf 25 Jahre Friedensarbeit zurück. Was wurde erreicht? Welche Lehren lassen sich ziehen? Darum ging es auf einer Tagung anlässlich des Jubiläums, über die Marina Zapf berichtet.

Ghanas Bischöfe für Gesetz gegen LGBTQ: Die Katholische Bischofskonferenz des westafrikanischen Staates hat sich Anfang Dezember öffentlich hinter den Gesetzesentwurf gegen Homosexualität gestellt, berichtet Katja Dorothea Buck. Menschenrechtsgruppen warnen davor, dass das Gesetz die Demokratie insgesamt gefährde. 

Noch immer interessant

Gegen den Widerstand der USA und der EU haben die Vereinten Nationen Ende November beschlossen, ein globales Rahmenabkommen zu Steuern zu verhandeln. Die Resolution zur „Förderung einer umfassenden und effektiven internationalen Steuerkooperation“ und der Entwurf für eine UN-Steuerkonvention wurden von Nigeria im Namen der Afrika-Gruppe bei den UN eingebracht. Warum eine Reform des internationalen Steuersystems so wichtig ist, hat Nicolas Shaxson in unserem Heft über Steueroasen beschrieben: Demnach entgehen den Ländern, die nicht zum Industriestaatenclub OECD gehören, jährlich etwa 200 Milliarden US-Dollar, weil Unternehmen trickreich Steuern umgehen. Das sei deutlich mehr als die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe, schrieb Shaxson 2019. Noch immer interessant!  

Medienschau: Worüber andere berichtet haben

Ob Abschottung, Klimawandel, Wasserknappheit oder Fake News durch künstliche Intelligenz: "The New Humanitarian" hat zusammengefasst, welche Trends Entwicklungspolitik im Jahr 2024 nachteilig beeinflussen werden - und was wir und die Politik dagegen tun können.

Im Sudan kann keine Bürgerkriegspartei gewinnen, das Land ist geteilt, die RSF-Miliz verübt Massaker in Darfur. Alex de Waal erklärt in "Foreign Policy" sehr gut, was den Krieg trotz Patt in Gang hält und welche Rolle Nachbarstaaten und die USA dabei spielen. 

Podcasttipp mit tiefem Einblick in einen vergessenen Krieg: Im Bürgerkrieg in Myanmar gerät die Armee zunehmend in die Defensive. Worauf die militärischen Erfolge der Rebellen im Osten des südostasiatischen Landes beruhen und warum China sie an seiner Grenze gewähren lässt, erklärt die Crisis Group in einer spannenden Podcast-Folge. Richard Horsey spricht über die illegale Kriegswirtschaft in dem Gebiet, die Schwächen der Armee, aber auch die unterschiedlichen Ziele und Motive verschiedener Rebellengruppen und die desolate Lage für die Bevölkerung in großen Teilen Myanmars. Hörenswert!

Denkfabrik: Was Fachleute sagen

In Europa wird teils scharf kritisiert, wie China als Entwicklungspartner im Süden auftritt. Eine neue Studie bewertet das nun differenziert und analysiert speziell Hilfe, Kredite und Investitionen Chinas in Afrika. Bernd Ludermann stellt sie vor. 

Arme Landgebiete brauchen Straßen – und am besten „grüne“: Ben Goldfarb berichtet für "YaleE360", wie Menschen in Afrika und anderswo mit einfachsten Mitteln Straßen umgestalten, damit sie Fluten mildern und Wasser in Speicher und auf Felder leiten. 

Ausblick: Was demnächst ansteht

Afghanistan nach dem Sieg der Taliban: „Um mich herum saß die Zukunft eines Landes, die es gerade in einer Frachtmaschine verließ.“ Mit diesen Worten beschreibt der "Spiegel"-Korrespondent Christoph Reuter in seinem neuen Buch die Lage in Afghanistan im Sommer 2021 – nach dem für viele unvorhergesehenen Blitzsieg der Taliban, dem eine Flucht vieler Menschen aus dem Land folgte. Nach nur einer Woche kehrte Reuter nach Afghanistan zurück und reiste quer durchs Land. Im Gespräch mit Bernd Ludermann, dem welt-sichten-Chefredakteur, wird Reuter am 17. Januar im Frankfurter Presseclub auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung über Begegnungen und Beobachtungen aus dieser Zeit berichten. Zu weiteren Informationen und  zur Anmeldung geht's hier. 

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